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AUFBRECHEN!: Warum wir eine Exzellenzgesellschaft werden müssen
Wir müssen das Ende der Dienstleistungsgesellschaft akzeptieren und neu aufbrechen, und zwar mit Hochbildung für alle. Die Infrastruktur des Internets zieht uns in einen Strudel von Veränderungen. Wer am Computer arbeitet, kann das auch vom Urlaubsstrand oder von China aus tun.
Geschäftsabläufe werden immer stärker automatisiert. Die Kenntnisse der wenigen Taxifahrer, die jede Straße in Berlin kennen, sind gegen ein normales TomTom nichts. Taxifahrer werden nur noch als Fahrer, nicht mehr als Ortskundige gebraucht. In dieser Weise werden viele Berufe auf den noch dem Computer unzugänglichen Bereich des rein Physischen reduziert und damit ganz oft in den Niedriglohnsektor abgedrängt. Ein Leben im Prekariat droht nun einer großen Menge von Menschen.
Hinter all den vielen kleinen Automatisierungsphänomenen in
unserem Alltag steht eine große Bewegung, nämlich die der
vollen Industrialisierung aller Arbeit, nicht nur der in der Produktion.
Wir werden zunehmend in allen Berufen von Computern verdrängt.
Diese Industrialisierung zieht Arbeitslosigkeit und Jobverlustangst
mit sich. Wir fühlen den Niedergang.
Wissen Sie noch, dass zur Zeit meiner Geburt etwa die Hälfte
der Leute in der Landwirtschaft tätig war? Heute schaffen knapp
zwei Prozent dieselbe Arbeit und klagen noch immer über den Druck
des Marktes. Über die Jahrzehnte hinweg mussten die Land-, dann
die Berg-, schließlich die Industriearbeiter neue Jobs suchen.
Dieser Prozess steht nun den Dienstleistungsberufen bevor. Und wie
in all den anderen Fällen müssen wir fragen:
„Was geschieht mit all diesen Menschen?“ Deutschland
muss sich neu erfinden und als Ganzes einen neuen Job suchen. Das
will ich nüchtern deutlich machen und mit Ihnen im Buch gedanklich
auf Suche gehen. Deutschland muss ein Land der Nano-, Umwelt-, Medizin-,
Computer-, Gen- oder Biotechnologie werden. Da liegt unsere Zukunft.
Wo sonst, bitte?
Und was muss geschehen, damit wir dort hinkommen? Auch klar: Das Volk
der Dichter und Denker besinnt sich auf seinen Kern und wird zum Hochbildungsland.
„Jeder muss und kann studieren!“ Ich meine – jeder! In Worten: Jeder! Wenn Sie das nicht mitmachen wollen oder nicht akzeptieren, enden wir in einer Kultur, die sich in Elite & Slum spaltet – in Reiche und Niedriglohnjobber. Diese Entwicklung zur Spaltung und zur Inhomogenität hat ja schon begonnen. Überall öffnen sich unsoziale Scheren zwischen ein paar auf dem allerhöchsten Gipfel und vielen, denen der Hartz ausreichen muss. Unsere Politiker päppeln ein paar Eliteuniversitäten heran und ärgern sich über die überbordenden Sozialausgaben an „Arbeitsscheue“, wie ein elitärer Minister dieser Tage sagt. Deutschland war immer geschätzt wegen seiner bürgerlichen Gleichmäßigkeit und des sozialen Friedens, wissen Sie noch?
Dass wir mehr Bildung brauchen, wissen alle – sogar die, die die Schulzeiten verkürzen und Lehrerstellen streichen. Und ich plappere nicht nur mit allen im Chor mit, dass wir Hochbildung brauchen, ich erkläre im Buch auch, wie das geht: Durch die Nutzung des Internet und der Computer. Ich gehe zusammen mit Ihnen die Schulfächer durch und will Ihnen deutlich machen, wie elend wenig man im heutigen Gymnasium lernt – verglichen mit dem, was wir echt lernen könnten! Erdkunde ist nichts gegen Ausflüge in Google Earth! Jahrelanges Chorsingen ist nichts gegen Komponieren am Computer und Aufführungen dazu! Mikroskopieren ist wie Google Earth auf Bakterienbildern! Jede Geschichtsstunde wird um Größenordnungen lehrreicher durch YouTube-Filme und durch Parallelsichten auf die Geschehnisse in verschiedenen Ländern zu gleicher Zeit (nicht erst ein Jahr Deutschlandunterricht und dann drei Monate USA etc.). Lesen Sie meine Vorschläge und freuen Sie sich über meine Feststellung, dass Hochbildung für jeden möglich ist und dass zum Zeitpunkt des Abiturs eher dreimal mehr in jedem Kopf ist als heute. Ich schlage auch gleich vor, dass wir in Deutschland eine eigene mittelständische Industrie errichten, die diese Bildungsmöglichkeiten weltweit exportiert: „Culture Technologies.“
Abstrakt gesprochen: Der Staat und die Gemeinschaft haben die Aufgabe,
die Strukturen der Zukunft zu errichten und sie zur Erzielung allgemeiner
Prosperität der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Der
Staat hat nicht die Aufgabe, sterbende Zweige wie die Landwirtschaft
oder jetzt den Servicebereich über lange Zeit am Leben zu erhalten,
nur weil sich die Volkswirte seit Jahrzehnten einbilden, dass sich
früher oder später alles wieder in einem Gleichgewicht einrenke.
Nichts kommt wieder! Das Leben verändert sich bei jedem Strukturwandel
radikal. Wir müssen dem Alten mit aller gebotenen Fürsorge
und Achtung mit Bestimmtheit ade sagen und mit Zuversicht das Neue
erbauen – infrasoziale Marktwirtschaft! Ich will, dass wir Älteren,
die wir das Steuer in der Hand halten, eine Zukunft für unsere
Kinder aufbauen, die auch wirklich eine Zukunft ist, die sie –
die Kinder – für sich selbst wünschen. Wir müssen
eine Zukunft der Digital Natives schaffen, nicht eine für ein
kommendes Rentnerland.
Diesen Blick in die Zukunft leisten die Wirtschaftstheoretiker nicht!
Der Staat ist nicht zum Ausgleich von Vergangenheitssünden da,
nicht zum Retten nach Managementfehlern oder bei mangelnder Unternehmerfortune.
Der Staat baut die Zukunft. Und da ich noch keine Zweidrittelmehrheit
zusammen habe, kann ich zum Schluss des Buches natürlich ganz
unbekümmert Vorschläge zu einer Grundgesetzänderung
aufreihen: Bildung als Bürgerpflicht etc. Das ist leicht gesagt,
aber Sie werden im Buch an dieser Stelle sicher sein, dass ich das
wirklich ernst meine. Muss ich jetzt dafür fast eine neue Partei
gründen? Ich? Kurz vor der Pensionsgrenze eine Partei für
die Jungen? An welche Wand soll ich Thesen nageln? Wer bricht mit
mir auf?
Dagmar Deckstein (selbst bekannte Buchautorin, KLASSE!) schrieb eine Rezension in der SZ:
Link zum Buch im SZ-Shop, unter dem Buch die Rezension
Eine längere und schwungvollere Fassung schrieb sie für ChangeX im Internet
Dagmar Deckstein über AUFBRECHEN in ChangeX
ChangeX kürte AUFBRECHEN zum Buch des Monats
Rezension und Inhaltsbesprechnung von Matthias Schwenk auf dem Portal CARTA