Links im Sinnraum
Menschenbewertungen, das Perfekte Dinner und das Subjekt Inferior (Daily Dueck 64)
Im Fernsehen gibt es jetzt Kochsendungen – auf allen Kanälen. Damit sich normale Deutsche überhaupt so etwas ansehen mögen, muss nach jedem Menü immer festgestellt werden, wie gut gekocht wurde. Wir müssen ja beckmessern, wer am besten war, oder? Es gibt bis zu zehn Punkte! „Ich mag wegen Schneckenphobie nur Dosengemüse, deshalb Null Punkte für den ekelhaft frischen Salat.“ Was wird da eigentlich bewertet?
Das weiß ich auch nicht. Ich dachte, ob das Dinner perfekt ist?! Aber das ist ja auch so sehr subjektiv. Man kommt in Teufels Küche, wenn man objektiv feststellen können will, wann etwas gut gekocht ist oder nicht. Denn es gibt verschiedene „objektive“ Verfahren oder Zugänge zum Bewerten, nach meiner Omnisophie so etwa drei. Das erste wertet nach Kriterien, die vorher aufgestellt werden (Geschmack, Tischdeko, Ambiente, etc.). Das zweite entscheidet aus dem Bauch heraus, ganz instinktiv. Die dritte Methode fragt intuitiv aus einem vollen Verständnis der Kochkunst als solcher heraus, ob dieses fragliche Beispiel diese Kunst inspiriert hat oder nicht. Welches dieser verschiedenen (Denk-) Verfahren soll angewendet werden? Darüber streiten sich seit jeher Geister und Bäuche, und sie schimpfen sich gegenseitig subjektiv, weil die jeweilig gewählte Methode der Bewertung „Ansichtssache“ ist. Dabei hängt die Methode einfach stark mit der Persönlichkeit des Wertenden zusammen. Die Wahl der Bewertungsmethode ist also ein Streit um das Sein an sich.
Deshalb könnten wir die Wahl der Bewertungsmethode als „subjektiv“ ansehen, irgendwie schon. Aber so richtig subjektiv ist etwas anderes. Das sind Bewertungen nach der innerlich gestellten Frage: „Hat es mir selbst jetzt gerade geschmeckt oder nicht?“ Beim perfekten Dinner im Fernsehen gibt es Urteile wie: „Sie ist mir sehr sympathisch, das gibt schon mindestens acht Punkte.“ – „Lamm hasse ich, nur drei Punkte.“ – „Ich bin heimlich für mich besehen ein Starkoch – da können die anderen nicht anstinken, deshalb einen Punkt nur für jeden anderen, weil gegen mich nicht höher gewertet werden kann.“ – „Ich werte einfach taktisch, damit ich Wochengewinner werde.“ – „Ich musste kurz vor der Sendung mit den Kindern noch viel Schokoladentorte essen und konnte Dein Essen einfach nicht mehr sehen. Bäh!“
Verschiedene Bewertungsmethoden haben immerhin eine objektivierte Bewertung im Sinn, obwohl –wie gesagt – die Methodenwahl als solche schon problematische subjektive Elemente enthalten kann. Methoden sind aber wenigstens in sich fair. Bei den letztgenannten Beispielen aber fragt sich der Betrachter eigentlich nur, wie sehr ihn das Dinner in irgendwelchen Lustkomplexen (Genießen, Schwelgen, Feiern oder in der Dinnerwertung siegen) persönlich jetzt und hier befriedigt hat oder nicht. Ein Subjekt ist doch eigentlich ein erkennendes, bewusstes Ich, das aus seinem subjektiven Denken heraus ein Objekt, ein Nicht-Ich, hier ein Dinner bewertet. Wer aber nur die Selbstbefriedigung taxiert, ist vielleicht gar kein Ich, keines jedenfalls im ursprünglichen Aristotelischen Sinne? Es muss ein Freudsches Es sein!
Sollten wir dann nicht zwischen einem Subjekt und einem Subjekt Inferior unterscheiden, einem, dem wir verächtlich „Du Subjekt!“ hinterher rufen würden?
Genau wie beim perfekten Dinner werden auch Mitarbeiter in Firmen oder Schüler von Lehrern bewertet. Es gibt wieder die verschiedenen Methoden: die nach Kriterien, die intuitive und die instinktive, dazu gibt es eine offizielle Methode, die im Personalhandbuch steht und die zwar an diesem Ort subjektiv steht, aber ganz offiziell ist und damit irgendwie als objektiv definiert ist. Die subjektiven Manager tun so, als würden sie offiziell bewerten. Eigentlich aber gehen sie nach derjenigen Methode vor, die ihnen als menschliches Subjekt die angemessenste scheint. Für Mitarbeiter ist dieses Subjektive im Manager, das aber in sich um Fairness bemüht ist, gut hinnehmbar. Was sie aber alle fürchten, die bewerteten Mitarbeiter und Schüler, ist ein bewertendes Subjekt Inferior.
„Ich mag ihn nicht.“ – „Sie kränkt mich durch ihre Fachkenntnis, ich muss ihr zeigen, wer Herr ist.“ – „Ich bewerte alle die schlecht, die das schnell gut hinnehmen, ich will keinen Streit.“ – „Ich fühle, er will meinen Stuhl. Da sorge ich für seinen Durchfall.“ – „Ich bewerte nur, was mir persönlich nützt. Wer mir meine eigene Arbeit abnimmt, ist mir am wertvollsten.“ – „Mir sind Schüler am liebsten, die still arbeiten, mich mögen und das auch zeigen. Alle anderen werte ich ab.“
Es ist also ein Unterscheid, ob sich ein Ich als subjektiv erkennendes Bewusstsein um eine Bewertung bemüht oder ob sich ein niedriges Es oder Subjekt Inferior beim Bewerten an der eigenen Befriedigung misst.
Im Fernsehen sind niedrige Esse beim Essen wohl pralleres Leben als hoch stehende Iche. Das versteh ich ja. Das sehe ich mir auch einmal an! Aber bei Vorgesetzten und Lehrern will ich das nicht sehen, echt nicht. Deshalb will ich nicht wegschauen. Tun Sie das bitte auch nicht.