Verpuffen Sie bei schlechter Energieeffizienz? (Daily Dueck 61)

Bei Elektrogeräten verpufft die meiste Energie irgendwie als Wärme – viel zu viel! Es gibt zu viele Reibungsverluste. Das scheint mir bei der Arbeit auch so zu sein. Alle schauen nur wie bei Glühbirnen, wie hell wir leuchten, aber nicht, wie viel Strom wir kriegen.

Glühbirnen sind zum Beispiel die effektivste Art, die Wohnung zu heizen. Sie setzen 95 bis 97 Prozent der Energie in Wärme um. Das schaffen andere Heizgeräte nie und nimmer. Dann wäre es doch besser, in Glühbirnen anstatt in Heizungen zu investieren! Ist da noch keiner drauf gekommen? Unser Tunnelblick auf Licht verhindert kreative Perspektiven, denke ich. Wer immer nur Licht will, sagt: Die meiste Energie verpufft in der Glühbirne zu Wärme.

Glühbirnen gehören oft noch zur Energieeffizienzklasse E. Größere Elektrogeräte haben heute meist die Klassen, A, A+, A++, wenn sie etwas taugen. Der Verkauf von Geräten der Klassen E bis G ist verboten.

Das erinnert mich an den Besuch von Beratern im IBM Wissenschaftszentrum in den 90er Jahren. Sie wollten von uns jede Minute Arbeit aufgeschrieben haben, um unsere Energieeffizienz zu messen. Wir sollen ja leuchten und keine Wärme abgeben! Wenn jemand als Aufgabe hatte, eine Software zu entwickeln, dann maßen sie nach, wie viel Prozent der Zeit er echt daran arbeitete. Sie maßen außerdem nach, wie viel Zeit wir für Kaffeetrinken, Weiterbildung, Betriebsversammlungen, gesellige Managementmeetings oder Computerhochfahren verschwendeten. Am Ende kam 55 Prozent heraus. Das konnte nicht stimmen, weil wir überall ein bisschen geschwindelt haben. Wir haben ihnen gezeigt, dass wir während des Programmierens Kaffee trinken können, was eigentlich nicht geht. Sie haben es geglaubt. Wahrscheinlich stimmt 50 Prozent oder so. Das lässt sich einfacher rechnen, darauf will ich hinaus. Ich habe übrigens gelesen, dass bei der damaligen Bundesbahn auch 55 Prozent herauskam. Damals hatte die noch keine Verspätungen, glaube ich. Jedenfalls ist damit gesichert, dass die Zahl 55 bzw. 50 als repräsentativ angesehen werden kann.

Jetzt aber frage ich mich, wenn ich uns so hektisch arbeiten sehe, wie hoch wohl heute unsere Effizienz ist. Die Manager steigern ja die Effizienz, behaupten sie. Aber wir fühlen uns sehr ineffizient, oder? Ich sehe das so: Damals haben sie versucht, die Effizienz zu steigern, indem sie das Kaffeetrinken, die Weiterbildung, die Betriebsversammlungen und die geselligen Managementmeetings sowie das Computerhochfahren eingedämmt haben. Dafür ist alles schneller und viel stressiger geworden. Die Weiterbildung ist so weit heruntergefahren worden, dass man uns jetzt verzweifelt anfleht oder –brüllt, dass LLL (Lebenslanges Lernen) das alleinige Allheilmittel sei. Aber sonst: Stress! Stress! Damals hatten wir 38 Stunden zu arbeiten – bei einem Wirkungskoeffizienten von 50 Prozent. Also haben wir damals etwa 19 Stunden in der Woche „im engeren Sinne“ gearbeitet.

Wie ist das heute? Wir haben uns mit der Zeit angewöhnt, trotzdem Kaffee am Automaten zu trinken und zu reden, aber wir sind länger bei der Arbeit geblieben. Der Stress führte dazu, dass wir langsam 45 Stunden arbeiteten. Irgendwann wurden in den meisten Firmen die Stechuhren und die Arbeitszeiterfassung abgeschafft, weil wir ja nur einen 38-Stundenvertrag hatten und deshalb niemand sehen durfte, dass wir den Firmen Überstunden schenkten. Und die schlossen davor die Augen und haben sich also auch niemals bei uns dafür bedanken können. Dafür tauchen Deutsche in allen Statistiken über Deutschland mit ihren hochoffiziellen 38-Stundenverträgen in den internationalen Arbeitszeitstatistiken auf und gelten als aberwitzig faul. In vielen Branchen ist heute die Arbeitszeit auf vielleicht eine 55-Stunden-Woche hinausgelaufen.

Aber soll ich einmal sagen, was ich echt glaube? Unsere Effizienz ist von „ein Halb“ auf „ein Drittel“ gesunken. Wir arbeiten nicht mehr nur „im engeren Sinne“, wir sitzen dauernd in Streitmeetings, in Abstimmmeetings, wir zanken um Ziele, wir protokollieren die Arbeit, wir schreiben Berichte für die Ablage, damit noch nach 10 Jahren Arbeitsprozesse geführt werden können. Wir müssen alles prüfen, weil es so viel Schummelei gibt und wir müssen schummeln, um die Ziele zu schaffen. Letzte Woche sagte eine Klinikärztin, sie behandle kaum noch, weil sie Berichte schreiben müsse und ihre Sekretärinnenstelle als überflüssig gestrichen sei, weil sie ja den ganzen Tag eh nur behandle. In der Hälfte aller Leserbriefe bekomme ich weinend-zynische Beispiele, wie schwer die Arbeit geworden ist. Sie ist eigentlich nicht schwer, nur eben ineffizient. Klasse E bis G und müsste verboten werden. Dann rechne ich Ihnen vor, dass 38 geteilt durch 2 das Ergebnis 19 erbringt und 55 geteilt durch 3 eben nur 18,333. Das heißt: Wir opfern Privatleben und Gesundheit, um statt effektiven 19 Stunden nun 18,333 zu schaffen.

Sinngemäß aus Leserbriefen: „Wir beschäftigen keine Halbtagskräfte, weil die ja ebenfalls in den Abstimmmeetings sitzen müssen. Das sind schon 20 Stunden die Woche. Da können sie nichts mehr arbeiten.“ – „Wir sind am effektivsten mit Werkstudenten, die arbeiten zwar viel schlechter, aber die müssen keinen Nebenschrott arbeiten. Sie sind nur 19 Stunden die Woche da und arbeiten so ungefähr 15 davon.“ – „An dieser Uni kannst du nicht forschen, weil wir nur Zitationen erzielen müssen und Hochglanzjahresberichtinput liefern und alles in Sitzungen durchzanken, damit wir Elite werden.“ – „Wir haben einen Neueingestellten, der noch nichts gearbeitet hat und nichts kann. Er hat am ersten Tag einen Stundenplan bekommen, wo alle Abstimmmeetings und Auslandscalls drin waren, die zu seinem Job gehören. Es sind reine 24 Wochenstunden gewesen (ohne Vorbereitung). Er hat einen 38-Stunden-Vertrag. Nun sitzt er schon von Tag 2 an in den Calls und fragt sich, wann und ob er produktiv wird.“

Das letzte Beispiel ist total authentisch … ehrlich! Ohne Worte, oder? Ich sage nur, unser Wirkungsgrad ist auf Drittel gefallen und wir verpuffen im wahrsten Sinne des Wortes.

Wissen Sie, was ich mir sehnlich wünsche? Ich möchte eine Beratertruppe über ganz Deutschland schicken, die allen Firmen eine Energieeffizienzklasse zuordnet. Und dann verbieten wir wie bei Glühbirnen die Klassen E bis G, weil solche Firmen die Mitarbeiter für nichts und wieder nichts ausbrennen. Wir haben zu sehr auf die Arbeitszeit und die „Utilization“ geschaut, nicht auf die Effizienz!

Im Namen der Hocheffizienz haben wir die Effizienz verloren.

Gunter Dueck

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