Chemie des Dankes (Daily Dueck 59)

Dank ist (so der Duden) ein Ausdruck der Anerkennung und des Verpflichtetseins für etwas, was man bekam. Undank ist Nichtanerkennung. Von dem einen gibt es zuwenig, vom andern zuviel. Und dann ist es noch eine Kunst, richtig zu danken. Das geht nicht irgendwie! Bitte – es gibt eine Chemie des Dankes!

Warum gibt es so wenig Anerkennung auf dieser Welt? Vielleicht auch deshalb, weil wir die Kinder nicht das Gefühl „lehren“ und in ihnen ausbilden, wahrhaft dankbar zu sein. Wir traktieren sie in einem Alter, in dem sie wohl gar nicht den inneren Dank als solchen fühlen können, mit einem ewigen „Wie sagt man?“, damit sie „Danke!“ sagen. Und sie bekommen nichts, wenn sie nicht auf „Wie ist das Zauberwort?“ mit „Bitte!“ reagieren. Kinder sollen in diesem Ritual besonders das „Verpflichtetsein“ lernen, nicht das Gefühl der Dankbarkeit im Sinne von Anerkennung. Kinder sollen wissen, dass sie Brot für Gehorsam bekommen. Die Eltern sagen dann „Danke, dass du so artig bist.“ Oder „Bitte zieh die Schuhe aus.“ Beides in anderem Ton. Das Kind ist Bettler und abhängig. Die Eltern sagen „Danke!“ statt „So will ich dich!“ und „Bitte!“ statt „So will ich es!“ Sie sind die Herren.

Es gibt sehr viel Dank in dieser Welt! Merken Sie es nicht? An jeder Ecke! Unsere Bosse und Abteilungsleiter traktieren uns für jede Kleinigkeit mit „Toll!“, „Good job!“, „Bin stolz auf Sie!“ und „Danke, danke, danke!“. Aber wir wissen alle, was das ist. Es bedeutet: „Ja, so will ich dich!“ Es ist der Dank des erziehenden Herrn. Es ist das, was die Psychologie als „Reinforcement“ oder „Bestätigung“ in unsere Welt getragen hat. Es ist ein Lob, das etwas von uns will, das uns dressieren helfen soll. Halten Sie sich dieses Bild vor Augen: Der schwarz gekleidete Springreiter steigt von Ihnen ab, klopft Ihnen, dem Pferd, gönnerhaft den Hals, grabbelt zwei Stück Zucker aus der zu engen Hose, hält sie unter Ihr Maul und sagt: „Good job!“

Wir wollen aber kein Reinforcement, keine Manipulation, keine bloße Danke-Bitte-Ritual-Höflichkeit, sondern wir wollen echten, tiefen Dank und echte Anerkennung von Herzen. Die fehlt in einer Sandwüste, die sich aus Körnchen der Minidressuren aufdünt.

Wer also wahrhaft danken will, sollte zuerst wahrhaft dankbar sein. (Frage: Wer kann dann noch danken?) Wer Dankbarkeit ausdrücken will, soll Anerkennung schenken (in Worten: schenken) und, wenn er das gleichzeitig will, Verpflichtetsein schenken. (Frage: Wer will etwas schenken?) Reinforcement schenkt nichts! Es verlangt das gedankte Verhalten allezeit. „Sie bekommen eine tolle Lohnerhöhung von 2 Prozent. Danke! Wir erwarten, dass Sie sich weiterhin für unser Unternehmen zerreißen. Zeigen Sie sich dieses Dankes würdig.“ – Ich habe schon oft in vielen Unternehmen diese Worte gehört: „Ich bin heimlich dankbar. Wirklich. Aber wenn ich den Mitarbeitern das sage, bin ich ihnen verpflichtet. Sie erwarten dann etwas. Und ich will und kann nichts geben außer meinem tiefen Dank. Deshalb schweige ich still.“ Sehen Sie? Es gibt schon noch Dankbarkeit, aber hinter Stacheldraht des Misstrauens und des Geizes gesperrt. „Wem man dankte, der will etwas zurück!“ – „Wer dem Bettler zulächelt, dem läuft er nach! Wer Dank gibt, wird auch B sagen müssen.“
Wahrhafter Dank verbindet und vertieft die Beziehung. Das will der Herr nicht. Die Beziehung soll asymmetrisch sein. Der Mitarbeiter ist dem Herrn zu Dank verpflichtet, sonst nichts.

Könnten wir nicht einfach das Verpflichtetsein, das Reinforcement und die Dressur durch „Management by Thanking“ weglassen und wenigstens aufrichtige Anerkennung zollen? Ohne weitere Agenda „Danke“ sagen? Also einfach ein Gefühl zeigen ohne an Interessen zu denken?

Danke.

Wie aber sagt man Danke, wenn man anerkennen will? Danke selbst ist ein Wort wie „Danke für treue Dienste.“ Wenn Sie genau das ausdrücken wollen, ist es fein. Blumenstrauß plus „Danke für 10 Jahre Ehrenamt.“ Alles gut. Denken Sie aber beim Dankesagen daran, dass Ihr Dankgefühl beim andern auch als Gefühl ankommt! Stellen Sie sich vor, Sie drücken ein Gefühl aus und der andere fühlt es nicht mit oder reagiert sogar sauer!
Auch ein Blumenstrauß ist nicht für jeden gut! Danken will auch gelernt sein.

Im IBM Managementmeeting sagte mal jemand: „Wir sollten wieder öfter Danke sagen.“ Da sprang ich fast empört auf und rief: „Nein, nein, nein! Einem IBM Star-Techie sagt man nicht Danke für treue Dienste. Da wird er ganz blass vor Unverstandensein. Sie müssen zu ihm sagen: ’Klasse!’ “ Es gab eine längere Diskussion – ich weiß nicht, ob ich gewonnen habe. Dank ist Anerkennung für edles Verhalten. Aber ein IBM Techie erwartet Bewunderung seines Werkes, nicht seiner menschlichen Haltung. Knien Sie also in Gedanken nieder und verehren sein Werk. „Ein Meisterwerk!“ Und dann gibt es bei uns Kollegen im Vertrieb, die Aufträge an Land ziehen. Da hilft ebenso kein Danke. Auch keine Verehrung des hereingenommen Vertrages. Lieber so: „Meisterhaft! Klever! Wow! Trotz so vieler Widrigkeiten! Bei so vieler Konkurrenz! Respekt, Respekt! Champagner für alle! Fanfaren!“ Deswegen kommen die allerbesten Vertriebler bei IBM alljährlich zum Golden Circle („Champagner und Freude“) und die allerbesten Techies zum Corporate Technical Recognition Event („Nobelpreisträger treffen.“). Dank muss, sag ich immer, artgerecht erfolgen. Wenn Sie Dank schenken, so muss neben dem Akt des Schenkens an sich auch das Geschenk zum Adressaten passen. Also bekommt der eine die Musical-Karte, der andere ein Buch mit Goldschnitt, und die dritte 101 rote Rosen.

Leider ist Dank in Firmen oft ein Geschäftsprozess. Jeder bekommt einen Bildband „100 Jahre Firma“. Jeder bekommt eine Urkunde. Jeder bekommt nach Dienstrang einen Dienstwagen Opel Astra. (Ich habe den zig Jahre gefahren und wurde belächelt, weil ich doch ein echtes Auto haben müsste. Ich fand den Astra gut. Sie können sich nicht vorstellen, wie oft ich darauf angesprochen wurde, auch meine Familie. Jetzt habe ich einen S40, sofort ist alles ruhig.). Warum können wir nicht Techies zur Lieblingskonferenz reisen und sich einen neuen Computer aussuchen lassen? Warum bekommen Vertriebskollegen kein „echtes“ Auto, wie sie sagen? Warum ehren wir treues Management nicht durch einen einfachen Handschlag des Vorstandsvorsitzenden in Gegenwart des Lebenspartners des Ausgezeichneten? Bei der IBM bekommen die Top-1000 Techies jedes Jahr einen neuen Computer. Da kommt einmal im Sommer eine Mail mit dem Subject „Most excellent computer day“. Ach, ist das ein schöner Tag! Und wir werden „zu Dreck beneidet“, obwohl es nur ein paar hundert extra Dollar sind, nicht mehr. Dank muss eben ankommen. Die Chemie des Dankes muss stimmen!

Manche brauchen Symbole, manche Mammon, manche Ehre, viele ein wirklich herzliches Wort, und noch viel mehr ein offenes Ohr. Schenken Sie, was der Beschenkte will. Einfach so. Wenn Sie gleichzeitig was zu Tadeln haben, tun Sie das später. Bitte nicht: „Und damit du wegen des Preises nicht übermütig wirst, will ich dir sagen, dass dein jetziges Projekt nicht so gut läuft.“ Hey, können Sie nicht einfach danken – ohne gleich wieder alles mit einem Schuss Sadismus zu vergällen und den Herren zu spielen?

Und wollen wir nicht lernen, wahre Dankbarkeit zu spüren und mit Gefühlen zu erwidern? Ein ganz kleines Kind nimmt mit wonnigem Blick ein zu großes Eis von mir an und schaut sonnenhell in meine Augen – ein Augenblick reiner Verbundenheit und keuschen Lächelns, zwei Zehntelsekunden des Glücks. Von hinten kommt streng: „Wie sagt man?“ Da ist es wieder, das normale Leben.

Gunter Dueck

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