Links im Sinnraum
Was im Unternehmen für Innovation zusammenpassen muss (Daily Dueck 95, August 2009)
Die tollsten Innovationen scheitern, weil irgendetwas nicht passt, nicht will oder auf Bedenken stößt. Es liegt daran, dass die bestehenden Denkhaltungen und Strukturen nicht zur Innovation passen und sie aufhalten. Man sagt: „Systeme zeigen eine Immunreaktion auf Innovationen.“ Die wird fast immer unterschätzt. Es scheitert an der Umfeld-Kultur und den Strukturen, gar nicht so sehr am Geld.
Die Strukturen (besonders die außerhalb des Unternehmens) werden
von den Innovatoren kaum wirklich durchdrungen, weil sie das gar nicht
versuchen! Innovatoren sind zu sehr mit ihrer Idee oder ihrem Baby
befasst. Sie glauben, dass das Verwirklichen einer Idee von einem
Okay des Managements abhängt und dass sie schon die halbe Miete
mit einem Kopfnicken von oben drin hätten.
Für solch ein Nicken arbeiten Innovatoren bereitwillig an dem
üblicherweise geforderten Business Plan, bekommen eventuell ein
Lob, dass er gut ist – und dann stirbt alles so langsam dahin,
weil die Bedingungen nicht günstig sind. Dann jammern sie meistens
über mangelndes Management-Commitment. „Das Management
stand nicht voll dahinter, obwohl man das so gesagt hatte!“
In Wirklichkeit haben Innovatoren meist erwartet, dass das Management
den Willen des Innovators mit Management-Macht durchsetzt, aber das
war mit dem Nicken nicht gemeint. Ein Okay bedeutet, dass der Innovator
nun selbst echt arbeiten DARF. Es ist damit nicht gesagt, dass das
Management sehr viel hilft. Es erwartet, dass der Innovator etwas
„unternimmt“. Wenn er das nicht alleine schafft, ist das
Management vom Innovator enttäuscht. „Der bringt nichts.“
Damit zeigt das Management, dass es von Innovation wenig versteht.
Damit muss der Innovator aber auch klarkommen. Wenn er also vom Management
etwas wirklich will, muss er das Management dahin treiben, dass es
das tut. Er muss es also von sich aus „prügeln“,
aber er erwartet in der Regel leider, dass das Management für
ihn prügelt.
Das tut das Management nur dann, wenn der Boss die Innovation selbst
wirklich will, so wie ein mittelständischer Unternehmer oder
ein Bill Gates oder ein Google- oder Amazon-Chef. Dann haben Innovatoren
schon fast traumhafte Bedingungen – wenn das Management selbst
die Idee durchsetzt. Meistens ist das nicht so. Wollen Sie dann als
Innovator aufgeben?
Ich schlage vor, Sie fragen sich per Checkliste, ob Sie bereit für
eine Innovation sind. Ich habe selbst bei Gifford Pinchot gelernt,
der vor 25 Jahren das Buch Intrapreneuring geschrieben hat.
I wie Intra oder Innerhalb eines Unternehmens. Ich musste damals eine
hochnotpeinliche Befragung überstehen, als ich ihm meine Ideen
zur Industrie-Optimierung erklärte.
• Sind Sie sicher, dass Ihre Idee real ist? Würden Sie
die Idee mit eigenem Geld auch verwirklichen, also Ihr Haus verkaufen,
um mit Ihrer Idee Millionen zu scheffeln? Oder ist Ihre Idee nur ein
Traum? Stimmt Ihre Frau/ Ihr Mann zu? Blicken Sie in begeisterte Augen,
wenn Sie davon erzählen – oder wollen Leute nichts davon
hören? Haben Sie eine gute Story? Haben Sie einen Prototyp zum
Vorzeigen? Wissen Sie, wer das kaufen will? Wer genau? Was will der
bezahlen? Wer produziert, wer verkauft? Wessen Interessen werden berührt?
Kannibalisiert Ihre Innovation jetziges Geschäft? Haben Sie alle
überzeugt, dass das Kannibalisieren am Ende wirklich akzeptiert
wird? Oder werden andere Unternehmensbereiche gegen Sie arbeiten?
• Traut man Ihnen persönlich zu, dass Sie das alles stemmen?
Haben Sie das nötige Vertrauen? Helfen Ihnen genug Manager, die
Sie persönlich kennen?
• Kann Ihr Unternehmen das überhaupt, was Sie verlangen?
Ist das Unternehmen gut darin? Passt Ihre Idee zum Unternehmen? Passt
die Größe Ihrer Idee zum Unternehmen? Sieht man sofort,
dass es viel zu verdienen gibt, oder müssen Sie bei Profit-Fragen
ungewiss über eine langfristige Zukunft schwafeln? Was in der
Bürokratie wird Sie behindern? Schaffen Sie es trotzdem? Müssen
neue Strukturen geschaffen werden? Können Sie die herbeischaffen?
• Ist das Unternehmen innovativ? Lässt es Sie selbst entscheiden
– oder lässt es sich alles zur Genehmigung vorlegen, was
den ganz sicheren Tod bedeutet? Verzichtet das Unternehmen bei Innovationen
diszipliniert auf eine „homerun planning philosophy“,
also einen Zehn-Jahres-Plan, den Sie ausführen müssen? Interessiert
sich das Unternehmen dafür, aus nicht erwarteten Umständen
zu lernen und oft tiefe Erkenntnisse zu ziehen? Werden Sie tendenziell
von Scharmützeln mit verschiedenen Firmenbereichen verschont,
die Einfluss nehmen wollen?
• Und Sie? Werden Sie brennen? Lieben Sie den Kampf im Dickicht?
Werden Sie rund um die Uhr an Ihr Baby denken? Haben Sie genug Durchsetzungsvermögen?
Sind Sie ein Unternehmertyp? Kommen richtig gute Leute aus der Firma
zu Ihnen, um bei Ihnen mitzumachen? Bedeutet es für Leute Freude,
gerade bei Ihnen die Zukunft zu stemmen? Oder werden Ihnen nach langem
Drängen Leute zwangsweise zugeteilt, für die das Management
keine besseren Pläne hat? Haben Sie verstanden, dass Sie selbst
und Ihre Crew erstklassig sein müssen, um eine echte Innovation
durchzusetzen?
Das waren ein paar Fragen… Sie betreffen hauptsächlich Faktoren im Unternehmen selbst, noch gar nicht so sehr den Markt, die Infrastrukturen draußen und die Kunden. (Fortsetzung dazu folgt.) Die Fragen sind todernst! Ich kommentiere ein paar:
Meist passt etwa die Größe der Innovation nicht zum Unternehmen.
Ein kleines Unternehmen schafft selten etwas Titanisches gegen große
Konkurrenz – oder es muss sich das gut überlegen und Mut
haben. Wenn der nicht da ist – lassen Sie’s! In großen
Unternehmen sind die meisten Idee zu klein. Das Top-Management hat
dann einfach keinen Nerv, wegen einer Idee, die nur ein Prozent des
Umsatzes tangiert, selbst mit Macht aktiv zu werden. Ihre Idee muss
zur Macht des Sponsors passen.
Meist fragen sich Leute mit einer tollen Idee nicht wirklich konsequent,
ob sie selbst eigentlich Unternehmer sind. Sie hoffen, dass man ihnen
hilft und sie trotzdem für die Idee am Ende ehrt und dekoriert.
Nein! Die Idee stirbt ohne Tun! Oft nimmt sie ein Unternehmertyp dem
Erfinder weg und hat Erfolg, dann schimpft der Erfinder. Zu Unrecht.
Innovation ist Durchsetzen, nicht erfinden.
Meist fragen sich Manager bei Innovationen nicht wirklich ernsthaft,
ob das Unternehmen so etwas überhaupt kann. Es gibt total naive
Unternehmen, die glauben, mal eben so etwas Neues anfangen zu können.
(Eine bekannte Drogeriekette hat Shops mit dem gleichen deutschen
Erfolgssortiment in Osteuropa eröffnet – und die Leute
da kaufen seltsamerweise das Sortiment so nicht!) Es gibt noch mehr
Unternehmen, die die Frage nach dem Können bewusst gar nicht
stellen wollen, weil sie sich bei der Innovation hohe Profite versprechen.
O-Ton: „Wir haben keine Wahl, wir müssen das zum Erfolg
führen. Es geht um das Überleben. Was wir nicht können,
müssen wir lernen.“ Liebe Leute, man muss gut sein, um
einen neuen Markt zu stemmen! „Mal sehen, wir lernen dann schon“
ist viel zu lasch und stirbt fast immer. Und normalerweise wachsen
einem Unternehmen keine Fähigkeiten zu, nur weil es ums Überleben
kämpft. Es kämpft ja, weil es unfähig ist.
Viele Innovatoren stellen sich das Ganze nicht wie Kampf im Dickicht
vor, wie ein Durchschlängeln durch zerkratzende Brombeerhecken.
Sie erwarten Fanfaren, keine Prügel. Es gibt aber nur Widerstände
zu überwinden – den ganzen Tag, immer. Wer das nicht mag,
soll’s sein lassen.
Fast alle Fragen oben müssen im Sinne der Innovation beantwortbar
sein, sonst geht es nicht. Sagen Sie nicht, es werde schon nicht so
aufreibend. Sagen Sie nicht, das Unternehmen würde doch noch
von allein klug. Hoffen Sie nicht, dass Ihre zu kleine Innovation
doch noch Gnade findet. Seien Sie einfach vollkommen ehrlich mit der
Sache. Wenn Sie wirklich ganz ehrlich wollen und können –
ja dann werden Sie meinetwegen schnell fanatisch und hypomanisch!
Los, los!