Wendungen über Glauben und Bratkartoffeln (Daily Dueck 89, April 2009)

„Dieser Kaktus blüht nur im April. Man darf ihn nicht anrühren, nicht drehen – nichts! Einfach warten, bis sich die Handteller große Blüte entfaltet und zu duften beginnt. Einen Tag lang will ich sie bewundern und ihren Anblick genießen. Ich habe der ganzen Familie eingeschärft, den Kaktus nicht anzurühren. Ich habe sie davor gewarnt, die Putzfrau heran zu lassen, die heute kommen sollte. Als ich nach Hause komme, haben sie Fenster geputzt und die Pflanzen weggestellt. Jetzt blüht er nicht mehr.“ Und er weinte bitterlich. Ich beruhigte ihn, das sei mit Bratkartoffeln auch so.

In meiner Familie brate ich die Kartoffeln. Sie alle konzedieren, dass die Kartoffeln aus ganz ungeklärten Gründen bei mir gut gelingen. Wenn es eine grüne Hand für Pflanzen gibt, hätte ich eine für Bratkartoffeln. Sie mokieren sich seit langem, dass ich die Kartoffeln lieber in Stücke schneide, nicht in Scheiben. Ich werde nervös, wenn sie in die Nähe der Pfanne kommen, und ich werde wütend, wenn sie die Hand ausstrecken, die Pfanne zu berühren. Es ist besser, die Pfanne zu bewachen und niemanden in die Nähe zu lassen. Bloß nicht in den Keller gehen, um Rama raufzuholen! „Du, die Kartoffeln stehen da ohne Aufsicht auf dem Herd, da habe ich sie vorsichtshalber gewendet.“ Eine Katastrophe!
Warum?
Neulich kam Johannes in die Küche, als es Bratkartoffeln geben sollte. „Du, ich weiß jetzt, wie man Bratkartoffeln besonders gut hinbekommt. Ein Starkoch hat es im Fernsehen erklärt. Man legt gerade nur so viele Kartoffelstücke in die Pfanne, dass der Boden bedeckt ist, nicht mehrere Schichten übereinander, nur eine. Dann lässt man sie in völliger Ruhe so lange braten, bis sie richtig schön kross sind. Man dreht sie erst dann um, und zwar am besten einzeln. Dann wieder völlige Ruhe, bis sie kross sind. Das wichtigste ist es, nicht in der Pfanne herumzurühren. Völlige Ruhe! Ganz wichtig!“ – „Und was willst du mir damit sagen, Johannes?“ – „Du machst es schon immer richtig und du hast geschimpft, wenn einer drin herumrührt.“ – „Aber ich hab es selbst schon immer gesagt!“ – „Starköche jetzt auch!“ – „Macht das einen Unterschied?“ Und ich seufzte wieder einmal, weil es einen Unterschied macht. „Warum schneidest du nicht Scheiben, sondern dicker?“ – „ Dann gibt eine Schicht in der Pfanne mehr Volumen und ich muss nicht mehrmals braten.“ – „Aha, bist du sicher?“ – „Warte, bis es im Fernsehen jemand sagt.“

Wenn ich es sage, weil ich es weiß, glaubt es keiner. Wenn es im Fernsehen gesagt wird, glauben es alle, ohne es wirklich genau wissen zu wollen und halten sich womöglich dran. Sie glauben es, weil ihnen ein wichtiger Spartenpapst den Glauben daran geschenkt hat. Er muss nicht erklären, warum es so ist. Es muss wie ein überirdischer Trick wirken, dessen Wirkung sich noch durch den Glauben daran verstärkt. Man müsste Menschen beibringen, dass es Unglück bringt, Kakteen mit Blüten in ihrer Position zur Sonne zu verändern. Sonst komt der schwarze Mann des Nachts! Wissen nützt gar nicht so viel, es hilft den Menschen nicht, weil sie sich um Wissen nicht scheren. Wissen versetzt keine Berge, Glaube aber schon. Wir müssten allen Menschen beibringen, die wesentlichen Wahrheiten, die zu wissen sie nicht bereit sind, als Glauben einzutrichtern.
Oh, das ist vielleicht die Weisheit hinter den Religionsstiftungen? Und der Grund, warum die Wissenschaftsgesellschaft ohne Glauben auf Grund läuft?

Heute ist es wohl so:

Wir wissen, dass Wissen hilft –
Und wir glauben nicht, das Glauben hilft.

Das ist bestimmt falsch! Aber was ist richtig?

Wir wissen nicht, was wir glauben sollen,
Aber wir sollten glauben, was wir wissen müssten.

Das geht aber schon weit über Bratkartoffeln hinaus. Vielleicht sollte ich das lassen. In meiner Jugend sagte mir einmal jemand: „Du verstehst nur Bratkartoffen!“ Immerhin.

Gunter Dueck

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