Liebe ist wichtig, aber wo kommt sie her? (Daily Dueck 80, Dezember 2008)

Oft muss ich ein bisschen weinen. Ich hatte gepredigt, dass Vertrauen und Liebe so wichtig wären, auch Ehre und Dankbarkeit. Dann sagen so viele JA! JA! JA! und klagen sofort laut, dass es von all dem so wenig gäbe, vor allem für sie selbst nicht. Ach ja, das meinte ich nicht. Ich wollte nicht feststellen, dass ein Mangel herrscht, sondern aufrufen, ihn zu beheben.

Mit der Liebe zum Beispiel ist es wie mit dem Geld. Geld verdient man, indem man Werte erschafft. Das ist der einst hoch geachtete konstruktive Teil: Werte erschaffen. Dabei fällt dann als Nebeneffekt meist ein Gewinn ab, den man als Geld in der Tasche zurückbehält. Das Erschaffen von Werten ist das Eigentliche, der Profit das Sekundäre. Der Profit ist so etwas wie das Geld, das man zum Lohn für das Erschaffen von Werten ausgeben darf.
In manchen Zeiten wie auch besonders der heutigen verwechselt man diese Seiten des Geldes. Man bewundert denjenigen, der viel ausgeben kann, warum auch immer – ob er Glück im Spiel hatte oder geerbt. Der, der Werte erschuf, ist in den Hintergrund getreten. Das Verbrauchen von Werten hat mehr Aufmerksamkeit als das Erschaffen. Es ist Mode geworden, Werte vor dem Erschaffen zu verbrauchen – auf Kredit. Geld ist nie genug da! Nie!

Liebe auch nicht. Liebe muss erschaffen werden wie andere Werte auch. Jemand muss lieben! Streicheln! Schenken! Geben! Seelisch wärmen! Helfen! Bei dieser Erschaffung fällt als Nebeneffekt meist ein Gewinn ab, der als Dank, Gegenliebe, Verehrung dem Erschaffenden das Herz erfüllend zurückbleibt. Und oft wird in der heutigen Zeit das Lieben mit dem Geliebtwerden verwechselt. Wir bewundern diejenige, die geliebt wird, warum auch immer. Diejenige, die liebt, ist in den Hintergrund getreten. Wir wollen Liebe genießen, nicht so sehr erzeugen. Wir laben uns an Beispielen, wie jemand geliebt wird – nicht wie man lieben sollte. Wir verbrauchen Liebe wie Sozialvampire. Vampire trinken Blut, aber sie helfen nicht, welches zu erzeugen.

Ehre fehlt! Es gibt zu wenige, die sich für das Ganze und die Gemeinschaft einsetzen und Gemeinschaftswerte erschaffen. Für den, der das tut, bleibt meist ein Gewinn zurück, der ihm als Ehre zuteil wird. Aber alle wollen nur die Ehre, nicht das Erschaffen von Werten! Politiker wollen die Stimmen, aber nicht die Arbeit für das Land. Machtvampire, die Macht verbrauchen, aber nicht anwenden.

Wir messen den Manager nicht danach, was er erschuf – sondern nach dem Profit, der übrig blieb. Wir messen nicht das, was geleistet wurde, sondern das, was heraussprang. Wenn der Profit stimmt, schauen wir gar nicht mehr auf das, was geleistet wurde. Und weil darauf niemand mehr schaut, bleibt das an sich Erschaffene oder Geleistete ganz im Dunkeln, während sich der Profit im gleißenden Licht des Vordergrundes präsentiert. Und ich fürchte, das, was im Dunklen bleibt, verkümmert dort heimlich immer mehr.

Das Erschaffen bleibt im Dunkeln
Und das Gewonn’ne steht im Licht
Und man siehet die Gewinner,
Das Erschaffne sieht man nicht …

Licht! Licht! Auf die andere Seite das Licht!

 

Gunter Dueck

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