Der Betriebsrat gibt dem Boss den Bonus (Daily Dueck 70, Juli 2008)

Vom Überkunden – dem Aufsichtsrat und den Shareholdern schrieb ich jüngst – und war damit gar erschröcklich für die Leser, die keinen Ausweg mehr sahen. „Stellen Sie die Welt nicht so nackt und nüchtern dar, wenn sie nicht zu ändern ist. Dann wollen wir sie gar nicht sehen.“ Sind Sie nicht kreativ genug? Müssen Sie die Lösung immer vorgesetzt bekommen? Und wenn ich dann eine vorschlage, wollen Sie die ja auch nicht. Also hören Sie: Die Mitarbeiter zahlen dem Boss einen Bonus, wenn er gut managt.

Viele große deutsche Firmen haben mehr als 100.000 Mitarbeiter. Die könnten jeder 10 Euro im Mo-nat dem Betriebsrat geben und diese Summe an den Vorstand ausschütten, wenn der Betriebsrat findet, die Arbeit des Vorstands war gut.
Das Volk könnte sich zu Vereinen zusammenschließen und den Politikern einen Bonus geben, wenn sie die Kernkraftwerke abschalten oder wieder anschalten oder Magermodels verbieten oder sich selbst am besten dünne machen. Ach nein, schade, das geht nicht, weil es ja dann für jede beliebige Politik wohl einen winkenden Verein mit einem Bonus gibt, so dass die Politiker in jedem Falle reich würden – fragt sich nur wie sehr. Nein, das geht wohl nicht. Ach ja, nicht jede Idee ist gut, der Rotwein schien mir italienisch, jetzt kommt er mir ganz spanisch vor.
Bei einem Betriebsrat sieht es anders aus, weil es nur einen gibt. Oder?

Man könnte den Bonus dafür ausschütten, dass gute Produkte freundlich an Kunden verkauft werden, dass zum Beispiel die Banken die Benimmregeln tatsächlich einhalten, die sie sich neuerdings geben. Dafür, dass jemand die Strategie des Unternehmens inhaltlich erklären kann und den Satz „Werte für die Börse schaffen“ für zehn Minuten ganz vermeidet. Die Mitarbeiter müssen doch nicht nur flehen oder höchstens alle paar Jahrzehnte ängstlich eine halbe Stunde streiken. Unsere Politiker herrschen uns immer an, wir sollten zuversichtlicher sein als sie selbst. Ja, könnten wir. Aber wir sollten vielleicht auch selbstbewusster werden, gell?

Ich sehe im Arbeitsleben, dass sich normale Menschen wie Sie und ich furchtbar unter Stress verbiegen, weil sie vielleicht oder eventuell ein halbes Monatsgehalt abgezogen bekämen. Brutto! Na und? Ich rufe nicht zu schlechtem Arbeiten auf, sondern zu Mut. Trauen Sie sich, Ihre Meinung zu sagen, wenn Ihnen dafür ein halbes Monatsgehalt abgezogen wird? Das traut sich fast keiner. Sie sehen also an sich selbst, wie sehr Sie durch ein paar hundert Euro im Monat ruhig gehalten werden können. Warum regen Sie sich dann auf, dass die Manager sich so sehr nach dem Bonus richten, wenn Sie es doch auch tun? Warum schreien Sie, die Manager würden sich anpassen, gehorchen und durchwinden – für ihr Zusatzmonatseinkommen oben drauf?
Alle sind wir so!

Und folglich: Wer den Bonus gibt, hat die Macht über die, die nach Trauben hoch springen.

Das bringt mich wieder auf die Idee zurück, dass die Arbeitnehmer Geld sammeln und … ich fürchte, es ist zu weitgehend. Aber es wäre lustig, es einmal auszuprobieren. Was dann passiert! Ich bin so gespannt! Wir wählen alle einen Betrieb im Land zufällig aus, sammeln gemeinsam und schauen einmal, was geschieht! Wie prickelnd!

Was wollte ich eigentlich sagen? Irgendwie kann man etwas ändern. Sich ändern. Andere Wege gehen. Wieder anders siegen. Freier werden. Stellen Sie sich zur Übung vor, Sie werden nun beauftragt, genau den Ablauf und die Regeln zu definieren, wie das geht: Gebt dem Boss den Bonus. Gehaltloser Widerstand heißt das, denke ich … oder so …

Gunter Dueck

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