Links im Sinnraum
1 Kranker + 1 Kranker = 3 Gesunde? Über Synergieverlust (Daily Dueck 35)
Synergie bedeutet Zusammenwirken. Ökonomen sagen, durch Zusammenfügen entstehe ein Synergiegewinn. Sie wollen folglich Fusionen. Aber Zusammenfügen bedeutet noch nicht Zusammenwirken. Das kostet unendlich viel Mühe. Wer das nicht versteht, sollte keine Verantwortung für ein Ganzes tragen.
Wenn man zwei Firmen zusammenlegt, zwei Universitäten zusammenschließt,
wenn zwei Menschen heiraten, dann entsteht ein neues Ganzes. Daraus
ergibt sich zuerst einmal eine Synergie oder ein Zusammenwirken.
Es wird besser! Zwei Teile können sich gut ergänzen, so
dass sie gemeinsam zu etwas fähig sind, was sie einzeln nicht
können. Daneben gibt es positive Skaleneffekte. Zwei Teile können
sich die Nutzung von Gütern teilen, die sich ein Einzelner nicht
leisten kann. Beim Heiraten zum Bespiel können sich beide in
ein Doppelbett legen, was einzeln wegen nur halber Nutzung unwirtschaftlich
wäre. Sie können darin etwas gemeinsam erzeugen, was sie
einzeln nicht könnten. Es ist darin mehr Betriebswirtschaft,
als sie einzeln entwickeln würden.
Das Ergänzen von Teilen zu einem Ganzen erzeugt neue Fähigkeiten.
„Mann + Frau kann Kind“. Das Zusammenlegen von mehreren
gleichen Teilen verhilft zu besserer Nutzung, also zu Skalengewinnen,
wie man so sagt. Mensch + Mensch lohnt Doppelbett. Vier mal Mensch
lohnt Kochrezept.
Diese simple Logik hat Ökonomen dazu verführt, über
Firmenhochzeiten nachzudenken. So nennt man im Jargon Fusionen. Ökonomen
sehen Hochzeiten an diesem Tag wie durch verliebte rosa Brillen und
sehen immer sofortiges Zusammenwirken! Sie nennen den Gewinn durch
das Zusammenfügen oder Heiraten Synergiegewinn oder Synergieeffekt
(positiv gemeint, ohne das überhaupt sagen zu müssen!).
Leider denken Ökonomen nur an Zahlen, nicht an Menschen –
und vielleicht führen sie auch keine glücklichen Ehen. Es
kann auch sein, dass Ökonomen lieber über Elefanten nachdenken
und nicht über Menschen. Es geht deshalb fast immer um Elefantenhochzeiten
…
Warum scheitern die Ehen? Warum zerbricht ein Ganzes? „Wir
passen einfach nicht zusammen. Die anfängliche Lust, die alles
zusammenhielt, war bald gestillt. Die Liebe verdeckte am Anfang unsere
Unterschiedlichkeiten, mit denen wir nicht fertig wurden.“ Warum
zerbrechen Firmenzusammenschlüsse? „Die Kulturen vertrugen
sich nicht. Die anfängliche Gier, das Geld einzuskalen, war gleich
gestillt. Der Fusionsrausch verdeckte am Anfang unsere Verschiedenheiten.“
Warum scheitern Ehen und Firmenfusionen? Sie haben die Synergiegewinne
der Skalen mitgenommen, aber kein Ganzes erschaffen.
Ein Ganzes zu bauen – das kostet sehr viel! Wenn zwei Teile heiraten, entsteht noch keine Ehe. Die beiden Teile müssen auch schmerzliche Aufbauphasen erleiden und Unterschiedlichkeiten harmonisieren.
Jede der beiden Firmen hat vor der Fusion eine Vertrauenskultur oder auch nicht. Wie wird aus zwei Kulturen eine einzige? Meist verlangt das größere Unternehmen die Übernahme der eigenen Kultur zum Wehschrei des kleinen Unternehmens. („Ich verdiene schließlich das meiste Geld hier und ich bestimme, was zu Hause gegessen wird.“ –„Ich bin der Greis und verlange, dass du junger Spunt dich meinem Sterben anpasst!“, sagt das aufkaufende Unternehmen zur akquirierten innovativen Turnschuhfirma.) Jedes der Teile hat eine eigene Erfahrung und ganz eigene Konventionen, die oft konträr oder antagonistisch gegeneinander stehen. Was gilt? „Die Wahrheit des Stärkeren.“. Jedes der Teile fühlt für sich besonders Geborgenheit, Sicherheit, Umgang, Image, Geschlossenheit, Einheitlichkeit. Wie wird das ein Ganzes? Ein neues Vertrauen, ein neuer Umgang, eine neue Einheitlichkeit? „Wir befehlen das.“ Jedes der Teile hat Freundschaften, Allianzen, Betriebssysteme, Netzwerke, Informationsflüsse, ist extrovertiert zum Kunden oder introvertiert bei Erfinden neuer Produkte. Wie geht zusammen, was noch keine Verbindung hat?
Wenn man zwei Teilen zusammenfügt, wirken im Ganzen Antagonismen, also entgegen gesetzte Wirkungen verschiedener Komponenten. Wenn man zwei Teile zusammentut, müssen sie ineinander verwachsen bzw. kommunizieren – das Nervensystem muss sich über der Summe der Muskeln bilden, denn Beuger und Strecker wirken antagonistisch!
Die Ökonomen sehen nur positive Synergieeffekte, keine Kosten durch Antagonismen. Sie addieren ohne Abzug. Deshalb sind alle Plan-Rechnungen zu optimistisch und die Fusionen scheitern. Und trotz allem negativen Augenschein bleiben die Controller-Milchmädchenrechnungen immer noch zu optimistisch und enthalten keinerlei Kostenansätze für Widerstreitendes und gegenseitiges Verwurzeln. Controller sind bei Fusionen so blind wie Verliebte vor der Hochzeit, wo naiver Optimismus geradezu Pflicht ist. Dürfen aber Controller im Fusions-Rausch all das rosa sehen, was tiefrot ist und dabei denken, ihnen ist schwarz vor Augen?
Heute sind die Firmen in Folge des Lean Management alle ein bisschen ausgemergelt wie Mager-Models unter Aufputschmitteln zur Gehhilfe. Außer Gewinn bringen sie nichts auf die Beine. Wenn sie nicht mehr selbst stehen können, putzen sie sich als Braut heraus und beschließen eine (In-)Fusion. Und mit emporgerecktem Daumen rufen die Manager
1 + 1 = 3 !!
Bei näherem Hinsehen:
1 Kranker + 1 Kranker = 3 Gesunde !!!
Mehrere Krankheiten gleichen sich nicht gegenseitig aus.
Nicht alles wächst auf schlechtem Grund.
Zusammenketten ist nicht Zusammenwirken – außer:
Addierter Wahnsinn hat positive Skaleneffekte.