Wer sich die Zeit nicht nimmt, braucht sie nimmermehr! (Daily Dueck 29)

Besinnlich sollen die Weihnachtstage sein, friedlich und froh. Stille, von Heiligkeit durchdrungene Stille wünschen wir uns. Wie aber sollen wir all die viele Ruhe hinbekommen? Das ist der Stress pur!

Der Weihnachtsstress hat uns im Griff. Wir hetzen durch Geschäfte, warten vor Kassen und haben keine Ahnung, was wir schenken sollen. Haben wir genügend vornehmes Essen geplant? Weihnachten soll ein Hochglanzevent werden! Dabei haben wir noch gar nicht endgültig die Forderung der Kinder abgewehrt, mit neumodischen schwarzen Weihnachtsbaumkerzen zu schmücken. Was wird Oma dazu sagen? Dann dürfen ja auch bis zum 6. Januar keine Nachbarn ins Wohnzimmer treten. Am besten wäre es, als bewusste Weihnachtsvermeidung eine Last-Minute-Reise nach Bali zu unternehmen, wo alles so schön wie immer sein wird und nur ausnahmsweise vom Hotelpersonal das weltbekannte Lied „Happy Christmas to you, Happy Christmas to you …" intoniert wird, damit es sich wie zu Hause anfühlt.

Was erzeugt Stress? Tunnelblick, Fixierung auf Dringendes, „Nichtschaffen-Können", Angst, Verlierer zu sein, drohender Streit um verschieden Interessen, das Wissen um künftigen Tadel.
Im Beruf ist das so! Alle wollen sie etwas von uns. Sofort! Schneller! Weniger Lohn! Die Arbeit wird „dichter“ und ist kaum noch zu schaffen. Nun kommt noch Weihnachten DAZU. Ist der Beruf nicht schon schlimm genug? Muss nun noch Weihnachten zusätzlich zum Quartalsabschluss sein? Wir hetzen so stark, dass wir nie Zeit haben, die Geschenke zu kaufen, nie Zeit haben, das Essen zu planen, nie Zeit für uns selbst nahmen. Der Beruf ist so schlimm geworden, weil wir keine Zeit mehr bekommen, die Arbeit so abzuleisten, dass wir stolz auf das Ergebnis sind. Die Arbeit ist unwichtig geworden gegenüber dem schnellen Gewinn. Der Beruf zerstört uns, weil er uns keinen Stolz mehr gibt und damit keine Energie wiederbringt. Wir werden im Beruf planmäßig zu profitabler Mittelmäßigkeit gezwungen! Und gleich danach werden wir planmäßig für ebendiese Mittelmäßigkeit getadelt oder gar bestraft. Wir mögen oft nicht mehr. Wollen EINMAL Ruhe haben. EINMAL stolz sein können. Wir weinen. Aber sie alle sagen uns dann, wir seien jammernde Deutsche.

Und nun noch Weihnachten. „Eilige Nacht.“ Überspannte, zu viele separate Termine in Patchwork-Verwandtschaften, Furcht vor der ebenso niedergedrückten Waage. Eilige Nacht wird mittelmäßige Nacht. Nicht wirklich Made in Germany. Wer noch Mensch ist, weiß um die Zeit, die er für die Stille braucht. Wer Mensch bleiben will, nimmt sich jetzt die Zeit für die heilige Fröhlichkeit. Wer sich nicht einmal jetzt Zeit nimmt, braucht wohl nie mehr welche. Werden wir ruhelose Schemen? Was macht uns dazu? Die jetzige Zeit? Das jetzige Böse? Oder wir selbst?

Wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben!
Sie gehen daher wie ein Schemen und machen sich viel vergebliche Unruhe; sie sammeln, und wissen nicht, wer es einnehmen wird.
Nun, HERR, wes soll ich mich trösten? Ich hoffe auf dich. (Psalm 39)

Gestern lachte eine fröhliche Frau im Radio: „Mein Bruder und ich schenken uns nie mehr etwas – so haben wir es beschlossen. Wir fühlten uns grausam gequält beim Zwangskaufen. Nun, wo der Druck weg ist, finde ich übers Jahr viele Geschenke für meinen lieben Bruder und kaufe sie auch. Ich will nichts zurück. Seit ich nicht schenken muss, kommt immer wieder die Liebe zu meinem Bruder in meine Gedanken. Denn es ist Ruhe in mir."

Gunter Dueck

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