Links im Sinnraum
Overdemanding Underachiever (Daily Dueck 24)
Als ich völlig zufällig dieses Wortpaar beim Googlen fand, fiel mir so etwas wie ein Groschen (darf man das noch sagen?). Overdemand: Immer fordern. Underachieve: Wenig zustande bringen. Das passt gut zusammen, oder?
Mitarbeiter regen sich vor Kaffeeautomaten auf. Eltern verdammen die Lehrer, die zu Hause beim Kind schlecht wegkommen. „Das Kind hat nicht allein die Pflicht, in der Schule gut zu sein. Es hat Anspruch auf einen guten Lehrer und interessanten Lehrstoff. Bei einem schlechten Lehrer kann man nichts lernen, da fehlt alle Lust.“ Und die Lehrer geben zurück: „Wir sollen nur lehren, das Interesse muss das Kind mitbringen – auch eine gewisse Mindesterziehung. Wir können und wollen die Eltern nicht ersetzen. Wir versinken in Frust.“ Mitarbeiter klagen am meisten über ihren direkten Chef, der ihnen das Leben unerträglich macht. Die Bosse wiederum ächzen unter blöden Fehlern von einem der ihren, die zu unangenehmen Kundentelefonaten und allgemeinem Ausbaden führen.
Rumbrabbelndes Schimpfen macht die Atemwege frei und schafft neue Luft zum Arbeiten. Wir trinken einen Kaffee dabei, ernten Nicken und Zustimmung. Alles ist Mist! Und dann gehen wir wieder zufrieden zur Arbeit. Als ein Mitglied unseres Haushaltes einmal am ersten Schultag fürchtete, dass ihm zu schlechte Lehrer zugeteilt werden könnten, erklärte ich, dass es da eine gewisse Quote von unvermeidlichem Pech gäbe. Der Klassenlehrer gab also kurze Zeit später die Lehrer bekannt. Ein bestimmter Schüler grinste. „Warum grinst du? Bist du so zufrieden?“ – „Mein Vater hat gesagt, ein Drittel miese Lehrer seien okay, erst danach beginnt Pech. Also: okay.“
Es gibt eine andere Art von Schimpfen, die nicht befreit, sondern
in schwere Ketten legt und fesselt. Es ist das bittere Schimpfen über
gefühltes erlittenes Unrecht. Da schieben Menschen lautstark
Schuld und Verantwortung hin und her und haben fast immer Recht darin,
dass ihnen ein gewisses Maß an Unbill geschieht. Ja, der Stoff
ist langweilig. Ja, der Chef kann nichts. Ja, der Lehrer ist schlecht.
Ja, die Schüler sind undiszipliniert. Das stimmt praktisch immer!
Sie haben meine Ansicht dazu gehört: „30 Prozent Mist ist
normal, erst darüber beginnt Pech.“
Sagen Sie einmal, weiß das denn keiner? Diese „dreißig
Prozent“ muss man einfach wegstecken, das gehört zum Leben
dazu! Und Sie können glauben, dass bei höher bezahlten Berufen
dieser Prozentsatz noch viel höher erwartet werden kann.
Aber das bittere Schimpfen fühlt nur das eigene Leiden und stellt
es ins Zentrum. Es fordert von den anderen eine Besserung der Lage,
als sei auf einen Kranken Rücksicht zu nehmen. Es fordert Beachtung
der eigenen gefühlten Not und sieht von außen aus wie verwöhntes
Kreischen. Wer das tut, lenkt sich von seinem eigenen Leben ab und
nimmt es nicht ernst. Wollen Sie in Armut versinken, weil Ihr Lehrer
mies ist? Wollen Sie in die Arbeitslosigkeit, weil der Chef blöd
ist?
Wenn Bewerber bei Vorstellungsgesprächen schimpfen, sie seien böse, bei einer Beförderung übergangen worden zu sein oder wegen einer Grippe das Diplom versaut zu haben, dann fühle ich, dass sie nicht die Verantwortung für sich selbst übernommen haben. Ein Vorstellungsgespräch ist nicht zu Atemwegsreinigungen beim Kaffee gedacht und das Bittere dort ist ein schreckliches Zeichen. Menschen wollen fliehen. Sie denken, sie fliehen in eine neue Umgebung, aber ich sehe, dass sie sich immer selbst mitnehmen – das Problem bleibt da.
Overdemanding Underachiever! „Alle Welt hat an meinem ach so durchschnittlichen Leben Schuld!“ Hallo? Erst so ab 30 % beginnt Pech und das Unglück noch viel später. Wir haben für vieles Kraft.