Links im Sinnraum
Digital Natives schützen Eltern vor Digitaler Demenz – „Parent Monitoring & Care“ (Daily Dueck 181, Dezember 2012)
„Hilfe, unsere Eltern sind jetzt auch im Internet. Papa hat sich wohl ein unbeabsichtigtes Abo eingehandelt, er versucht, eine Webseite anzurufen. Er wälzt das Telefonbuch und weiß nicht, wo er suchen soll. Mutti bekommt immer mehr Pakete, die beiden werden sich verschulden. Das Internet ist für Erwachsene zu gefährlich, weil sie eine Digitale Demenz davon bekommen. Wir müssen auf unsere Eltern achtgeben, es droht Gefahr.“
„Mein kleiner Bruder und ich wussten erst nicht, wie wir unsere
Eltern unter Kontrolle bringen können. Das Internet macht sie
hemmungslos. Wir haben uns an ihre Geräte geschlichen und wenigstens
Virenscanner und Firewalls eingerichtet. Wir selber dürfen eigentlich
nicht ins Internet, weil wir zu klein sind, aber wir sind schon Experten.
Es gibt ja überall Internet, unsere Eltern haben keine Ahnung.
Schlimm. Sie wollen mit uns nicht darüber reden. Sie sagen, sie
würden sich erst einmal selbst mit dem Internet vertraut machen
und uns dann nach und nach einführen. Es ist ein Witz!
Wir machten uns Sorgen. Wir fanden dann in der New York Times einen
Artikel, den haben wir maschinell übersetzen lassen können,
aber eigentlich reichte unser Englisch schon ganz gut. Ihr könnt
den noch im Internet finden, wenn es ihn noch gibt. Er ist total gut
für Kinder. Er heißt:
'Big Brother'? No, it’s Parents!
Auf dem Bild sind so eine Art Standardeltern, der Mann hat eine etwas
rote Nase. Solche haben wir auch. Sie machen sich dauernd Sorgen,
aber nicht um sich selbst. Diese Sorgen haben nun wir. In dem Artikel
haben wir eine Menge Hinweise gefunden, wie Eltern ihre Kinder mit
Apps ausspionieren können, zum Beispiel, wie sie merken, dass
große Kids beim Autofahren telefonieren, was ja streng verboten
ist. Hallo? Ist doch klar, dass machen unsere Eltern auch –
sie telefonieren und rauchen dabei! Da sind wir auf die Idee gekommen,
uns alle diese Apps zu installieren – überall, auf allen
Geräten unserer Eltern. „Papa, darf ich einmal kurz Eva
eine SMS schicken?“, haben wir gefragt und so die Smartphones
kurz kassiert. Inzwischen haben wir alle Accounts unserer Eltern gehackt
und können alles auswerten.
Mama surft nach lauter Krempel, ganz ungeschickt. Sie weiß nicht,
wonach sie surfen soll. Sie hat sich bei Diätgruppen angemeldet
und irgendwelche Abos auf Minusperlen, vor denen biochemisch und finanziell
gewarnt wird. Papa schaut sich kostenpflichtig Bilder an, die es in
der Schule absolut umsonst bei allen Notgeilos gibt. Wir haben ihm
anonym entsprechende Links geschickt, darauf ist er eingegangen, jetzt
wirft er wenigstens kein Geld mehr aus dem Fenster.
Wir haben ihnen von Fake-Accounts aus gesimst, wenn sie am Steuer
telefoniert haben. „Lassen Sie das, demnächst kostet es!“
Das hat sie erschreckt! Sie haben zuerst das Navi nicht mehr benutzt,
weil sie dachten, es käme vom GPS. Haha, sie suchen noch immer!
Wenn man ihre Chats und Posts scannt, lernt man die eigenen Eltern
erst einmal so richtig kennen. Papa scheint gut gebaute Frauen zu
mögen und fürchtet sich wahrscheinlich vor den ganzen Diäten
von Mama. Da ist ein furchtbares Missverständnis, oder? Wir überlegen,
wie wir die beiden wieder besser zusammenbringen.
Papa sucht außerdem neue Arbeitsstellen. Das passt uns nicht,
wir wollen absolut nicht umziehen. Er schaut oft nach Stellen in Bundesländern,
die wir Kinder ablehnen. Wir wollen hierbleiben, auch wenn es angeblich
bessere Länder gibt. Wir versuchen jetzt, ihm Werbung für
leichtverständliche Weiterbildungen für seine Karriere zu
schicken. Wenn er drauf anspringt, dauert es, bis wir groß sind.
Wir klicken in seinem Browser heimlich lauter solche Links an. Ganz
viele! Das merkt die Google Suchmaschine natürlich. Jetzt bekommt
er automatisch von Google alles das als endlose Werbewiederholung
eingestreut, was wir ihm vorgeklickt haben. Google hilft uns in dieser
Weise genial, ihn zu manipulieren.
Mama ist einfach nur beschränkt, digital gesehen, und tappt in
alles rein. Sie ist sonst ganz okay, im wirklichen Leben. Aber im
Internet verliert sie irgendwie den Kopf. Sie hockt auch schon viel
zu oft vor dem Tablet, man merkt das schon länger am Essen. Sie
kocht nur noch schnelle Sachen, Tiefkühlpommes und Mikrowellen-Currywurst.
Das mögen wir total viel lieber als das liebevoll fettige Fleisch
sonst, aber es zeigt doch, dass sie dement zu werden droht.
Wir wissen nicht genau, ob wir mit ihnen drüber reden sollen.
Wir könnten ihnen doch sagen, dass wir uns Sorgen machen. Leider
steht im Internet, dass Eltern sagenhaft beleidigt reagieren, wenn
sie merken, dass man sie beschützt. Sie sind absolut nicht dankbar,
sondern sie poltern herum, dass man dann angeblich ihr Vertrauen missbraucht
hat, obwohl es klar ist, dass man sie nur aus dem Dreck zieht. Wir
haben gelesen, dass es den digital Dementen an einer Krankheitseinsicht
fehlt. Es muss so wie bei einem aus unserer Klasse sein, dem wir schon
oft gesagt haben, dass er doof ist, aber er glaubt uns das nicht.
Er ist beleidigt! Wenn er es uns glauben würde, müssten
wir es doch nicht noch einmal sagen, so zwingt er uns dazu. Wahrscheinlich
läuft es bei unseren Eltern genauso.
Dabei wollen wir nur ihr Bestes.
Vieles von den Tools ist echt nur für Eltern, schade. Man kann
die Facebookverweilzeit messen, okay, aber wir können unseren
Eltern doch ihr Dauergesülze dort nicht verbieten – und
dann die saublöden Fakenamen! Mama ist Schneeeeelfe in einem
Flirtportal! Da fällt uns nur Schnelllllhilfe ein. Man müsste
bei den App-Produzenten mehr an die Interessen von Kindern denken,
die ihre Eltern überwachen. So müssen wir alles selbst programmieren,
zum Beispiel schreiben wir mit amtlichen Mailadressen, dass das Internet
findet, sie surfen, kaufen und glotzen zu viel. Wir schicken ihnen
dann auch, wie lange sie im Netz waren, das haben sie ernst geprüft,
für richtig und angsteinflößend befunden! Für
eine Zeit lang hilft es, aber dann verlieren sie sich wieder, wenn
keine Strafe folgt.
Eltern vom Internet abhalten ist wie Flöhe hüten, weil sie
sich wie Kinder benehmen. Kinder müssten frühzeitig mehr
Macht über die Eltern haben. Diese Macht bekommen sie viel später
natürlich auch, aber dann ist es ja schon passiert, dann sind
sie digital dement, und auch so.“