Die Deutsche Abfrage (Daily Dueck 18)

Zu Karfreitag und Ostern blättere ich ruhig in meinen prachtvollen Büchern. Ohne Brille, ganz entspannt. Ich kann aber nicht mehr so gut sehen. Osterspaziergang. Faust!

„Zufrieden jauchzet groß und klein:

Hier bin ich deutsch, hier darf ich’s sein!“

Ich bin deutsch geboren, ich werde ja nicht mehr ausgefragt! Ich jauchze. Ich muss keinen Ausländertest absolvieren!

Die armen Ausländer tun mir ein bisschen leid, sie müssen Fragen beantworten, deren Antwort ich ja auch nicht kenne, bestimmt nicht die mit dem Kaspar-David-Kreidefelsen auf Rügen, die wahrscheinlich aus Proporzgründen in den neuen Einbürgerungstest auf Deutschtum hinein musste. Zu dem Test fallen mir fast nur Sarkasmen ein. Wie haben wir als Kinder immer gesungen?

„Die Gedanken sind frei,
wer kann sie verraten?
Der Test will sie wissen,
das Land sie erschießen, mit Fragen zu Brei!
Die Gedanken sind frei!“

Das Lied ist von einer alten Schweizer Weise abgeleitet und fängt ursprünglich anders an.
„Nur die Franken sind frei, das Gold und Dukaten …“

Glauben Sie im Ernst, ein paar Bildungsfragen machen zum Deutschen? Hindert der Führerschein, wie eine Sau zu fahren? Würden wir einen Wolf, der einen Kreidefelsen frisst, gleich als Ziege bezeich-nen? Doch eher als Schaf? Wenn der Test angeblich Terroristen entlarven hilft, dann müssten wir doch auch alle Stasi-Spitzel damit finden können? Wahrscheinlich ist der Test von den Flughäfen abgekupfert. Wenn man dort die Frage nach dem Mitführen von Bomben bejaht, darf man nicht mitfliegen. Die listigen Gepäckpackgeschenkfragen entlarven dort jeden Terroristen. Deshalb wurden in jüngster Zeit auch keine Flugzeuge mehr entführt.

Herbert Drusckke

Wenn jemand irgendwo einheiratet, muss er verinnerlicht haben, wo er ab jetzt leben wird. Es wäre schön, er könnte Ideen in sich fühlen. „Freude, schöner Götterfunken …“ – „Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht.“ – „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.“ – „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Aber ein Test? Wenn eine Deutsche in den Nahen Osten einheiratet, warnen wir sie, wappnen wir sie, klären sie auf. Es ist kein einfacher Schritt, in eine andere Kultur zu wechseln, in keiner Richtung. Hilfe und Willkommen wird gebraucht! Beratung, Gespräche! Aber ein Test?

Und wenn schon ein Test, dann bitte ein paar entlarvendere Fragen!

• Begründen Sie, warum das deutsche Bildungssystem am besten ist.
• Was verbinden Sie mit dem Wort Kopfpauschale im Zusammenhang mit Krankheit?
• Wann nimmt der Deutsche einen Jägerzaun, wann Stacheldraht?
• Bis zu welchem Alter dürfen Hunde in der Mittagszeit bellen und welche Einschränkungen bestehen für Kinder?
• Der folgende Satz ist ein Gedicht – interpretieren Sie! „Wer in der Schule schillert, bekommt eins auf die Glocke.“
• Nennen Sie drei Politiker, die eine Zweitstimme haben.
• Welche Arbeiten hält ein Deutscher für würdelos?
• Was ist ein Schmerzkeks?
• Wer ist mit der Bezeichnung Allgemeinheit in dem Artikel 14 des Grundgesetzes gemeint? „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Ach, ich bin etwas bitter … die Gesinnung wird doch nicht besser, wenn man etwas weiß. Wissen hilft, ja! „Lerne, dann weißt du in der Not!“, zum Beispiel, wenn man etwa nach Deutschland fliehen will. Aber schon Goethe beschrieb die Tragödie eines DDR-Fluchthelfers:

„Erreicht den Westen mit Müh’ und Not, in seinen Armen das Kind blieb rot.“

Es ist Ostern. Ich lese Faust und in der Bibel. Ohne Brille, ich sehe etwas schlecht.

„Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin,
und leider auch Theologie! Durchaus studiert mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so deutsch wie nie zuvor.“

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Gunter Dueck

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