Eipreisbindung statt Buchpreisbindung (Daily Dueck 169, Juni 2012)

Das ist bekannt: Wenn ein Staat eine Steuer einführt oder eine Lobby einen Branchennaturschutz erreicht, dann bleibt der für immer, auch wenn die Geschichte der Welt längst über alles hinweggefegt ist. Das berühmteste Beispiel wurde in meiner Jugend oft herumgereicht: Da erzwangen die Gewerkschaften in England, dass in der damals neuen E-Lok noch Heizer mitfuhren – die Kohleschaufel immer dabei.

Was meine ich mit Naturschutz? Es gibt ein Gesetz, dass nur höchstpersönliche Apotheker mir ein rezeptpflichtiges Medikament aushändigen dürfen. Das hat seinen Sinn! Ich erkläre den hier gar nicht, er ist sonnenklar. Nun gibt es aber große Automaten, die Medikamente wie Zigarettenschachteln ausspucken – vorn dran ist eine Art Bankautomat, auf dessen Bildschirm das Gesicht des Apothekers vom Dienst erscheint. Dieser sieht mein Rezept, das per Barcode erkannt wird und erklärt mir die Nebenwirkungen der Arznei, wir sprechen wie „per Skype“ darüber. Wenn ich alles verstanden habe (der Apotheker ist ein Inder mit Pharmazieabschluss einer deutschen Uni und arbeitet von Bangalore aus), löst er den Automaten aus und ich bekomme mein Medikament. Ist das noch im sinnvollen Rahmen? JA! Aber der Naturschutz für die heimische Wirtschaft fällt. Wollen wir Sinn? Wollen wir Naturschutz? Beides?

In der letzten Woche habe ich bei den Buchtagen 2012 in Berlin über das die Buchbranche so quälende Thema der eBooks (das ist die E-Lok dieses Bereiches) referiert. Kunstbände z.B. aller Werke von Marc Chagall auf höchstauflösendem Retina-Display zu 2,99 Euro! Das ist der Albtraum – wie der Apotheker aus dem Netz. Am besten würde man Mindestpreise für Bücher einführen und Papierzwang für alle. Ich habe deshalb noch einmal zur Sicherheit Informationen eingeholt, wozu es überhaupt so etwas wie eine Buchpreisbindung gibt. Deshalb – ich zitiere aus der Wikipedia:

• Schutz des Kulturguts Buch
• Sicherung einer großen Anzahl und Vielfalt an Buchtiteln (Erleichterung des Verlegens kulturell wertvoller Bücher, auch wenn deren Absatz voraussehbar geringer sein wird als der von Bestsellern)
• Sicherung der flächendeckenden Versorgung mit Buchtiteln

Aber heute kann doch jeder Autor selbst jedes noch so kulturell wertvolle Buch sofort als eBook ins Netz laden, oder? Mit eBooks verdient der Dichter auch MEHR als mit Büchern (Für ein verkauftes Buch von 20 Euro bekommt der Autor 10 % oder 2 Euro, bei einem verkauften selbsthochgeladenen eBook bekommt er 70% des Erlöses, also etwa 4,20 Euro bei einem Verkaufspreis von 6 Euro)! Und das Internet liefert Bücher flächendeckend, eBooks kommen über Funk auch im Urlaubsland! Dichter, Abseitstouris und Dorfleser sind’s zufrieden, jetzt müssen also nur noch Papierhersteller, Druckmaschinenhersteller, Verlage, Buchhandlungen und Druckereien geschützt werden? Dafür war der Schutz aber nicht gedacht, er war für die KULTUR, oder? Ich weiß, dass viele von Ihnen die Kultur nur im Papier sehen, ich weiß. Aber immer mehr von Ihnen kaufen sich eBook-Reader und bestellen Bücher im Internet. Sie schreien offiziell nach dem Alten und gehen dann fremd, weil’s billiger ist und Platz spart… Aber konsequent sein wollen Sie nicht, weder in Ihrem Verhalten noch in Ihrer Haltung zu Branchennaturschutzgesetzen.

Wir könnten doch Obsoletes fallenlassen und neues Schützenswürdige behüten! Eine Eipreisbindung würde mir gefallen. Ich würde festsetzen, dass alle Eier Größe L, sagen wir, 40 Cents kosten müssen, egal wer sie gelegt hat, wo, wann und unter welchen Hormonen. Bei 40 Cents wäre es möglich, gewinnbringend Bio-Eier zu produzieren – und nun wären wir strunzdumm und stockblöd, andere als diese Eier zu kaufen. Billigblindheit ist nun außen vor! So? Schutz des Kulturgutes Ei! Sicherung einer großen Anzahl und Vielfalt von Bio-Hühnern! Sicherung einer flächendeckenden Versorgung mit Bio-Eiern!

Ich meine: Wir sollten ab und zu nachdenken, was wir eigentlich wollen, was uns wertvoll ist, wofür wir Geld hinlegen sollten, welche Arbeitsplätze wir künstlich schützen und was der Steuerzahler wirklich bezahlen muss. Ab und zu sollten wir in unserer großen Naturschutzgesetzesplantage auch einmal jäten – ja, und auch einmal etwas neu pflanzen, was nur so SINNVOLL ist, ohne die Vorbedingung, dass es Millionäre fordern oder solche, die es damit werden wollen.


Gunter Dueck

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