Ökonomie erzeugt planmäßig Tütensuppenniveau – das ist Ökopathie, oder?! (Daily Dueck 160, Februar 2012)

Die Segnungen der Menschheit sind natürlich zu einem guten Teil der Wissenschaft und dem effizienten Umgang mit den Ressourcen zu verdanken. Das verstehe ich schon! Zuerst erfinden Genies wundervolles Einzelnes, ein Unikat. Das wird analysiert und massenproduziert. Aus jeder Kunst wird am Ende weiße Ware im Discount. Aber geht das nicht zu weit?

Aus Bildungsreisen werden Pauschaltrips, aus Villen Plattenbauten, aus Menschen „bricks in the wall“. Alles wird auf notwendige Invarianten hin untersucht, auf den Kern zurückgestutzt und standardisiert, genormt, vereinheitlicht und „commoditized“. Berufe erfüllen immer mehr nur die Eingabebedürfnisse der Computer, die uns sehr schnell anlernen können.
Wissenschaft und Management wirken offenbar zusammen, alles besonders Seiende zu… – wie soll ich sagen?

Es fängt mit Wundervollem an, so etwa mit Viktualienmarkttomaten, Olivenöl extra vergine, Knoblauch, Croûtons, Zwiebeln, Mozzarella – und der Chefkoch sagt: „Das Geheimnis liegt in der klaren Einfachheit.“
Dieser Satz wird sofort analysiert und ökonomisiert, und mit bestechender Einfachheit steht hinten auf einer Tütensuppentüte: „Beutelinhalt mit ausfaltbarem Einwegminischneebesen, den Sie der Tüte vorweg entnehmen, in 500 ml (1/2 l) kaltes Wasser einrühren. Unter Rühren zum Kochen bringen und bei geringer Wärmezufuhr 1 Min. kochen. Dabei gelegentlich umrühren. Ergibt 2 Teller oder 500 ml Suppe. Der ausströmende Geruch symbolisiert Mittelmeer (blau), Provence (rot) oder Kreta (oliv). Beachten Sie die Farbmarkierung auf der Tütenvorderseite.“

Ich glaube, vor lauter Industrialisierung haben wird das Erschaffen von Neuem zu sehr heruntergefahren. Hatten wir nicht einst viel mehr bekannte Dichter, Denker, Künstler und Schauspieler? Hatten wir nicht früher gute Politiker? Industriemagnaten und Unternehmer? Berühmte Maler? Komponisten? Erfinder? Diven? Komiker? Designer?
Heute wird aus jeder guten Idee gleich ein „Format“, eine Serie, eine Staffel, eine Schablone, ein Rezept – husch von Schuhbeck zum Nürnburger oder so. Das Höhere wird immer schneller plattgeklopft.

Na, im Grunde wissen Sie das. Man verwertet die Originale und verwurstet sie zu einem Standard. Alles Kulturgut der Menschheit wird daraufhin angeschaut, ob sich eine Massenserie daraus fertigen lässt. Aber das wirklich für mich Bedrückende ist, dass die wenigen Menschen, die noch das Originale und Authentische erschaffen können und wollen, so langsam immer stärker beim Erschaffen schon darauf achten, dass das Original kostengünstig und einfach zu einer Massenserie oder eine Tütensuppe werden kann. Ist es patentierbar? Formatierbar? Sind die Charaktere zeichentricktauglich? Sind die Geschmacksnuancen auch durch Pilzkulturen simulierbar? Erzielt der Neuwert Impact Points?

Was als Werteverwertung begann, mündete in Originalfakedesign. Man kreiert erst die Fakes und liefert sie gegen Aufpreis als personalisierte Goldversion. Auch die Genies, die eigentlich Originale erschaffen wollen, beginnen bald mit Plattform basierter Produktion, Multifunktionsmodularkunst und Multi-Channel-Strategie. Richtige originale Originale ergibt das nicht mehr. Ökonomie soll eigentlich mit Ressourcen und Anstrengungen effizient umgehen, aber sie erzieht oder zwingt uns, die Ressourcen effizient und anstrengungslos zu verbrauchen… das muss Ökopathie sein.

Gunter Dueck

© 2005 Gunter Dueck l design: nukke.de (ad+bvp)