Links im Sinnraum
Kernkompetenz Propathie (Daily Dueck 144, Juni 2011)
Wenn wir die Gefühle von Menschen verstehen können und mit ihnen positiv umzugehen verstehen, dann billigt man uns die Fähigkeit der Empathie zu. Empathische Menschen wirken nett und sind oft beliebt – sie kränken und brüskieren uns nicht. Es gibt eine andere Fähigkeit, nämlich die Geschäftsprozesse des Unternehmens einfühlend zu behandeln. Sie heißt Prozess-Empathie oder kurz Propathie. Die sollten Sie haben!
Empathische Menschen spüren die Gefühle anderer, sie verstehen deren Absichten, wissen, was diese antreibt, aus welchen Prinzipien oder Impulsen heraus sie denken – kurz, sie können sich in andere Personen oder Persönlichkeitsstrukturen einfühlen. Dadurch kommen sie mit anderen Menschen viel besser klar! Empathische Menschen sind zu einem Perspektivwechsel fähig, sie können sich in den anderen hineinversetzen und die Welt aus seiner Perspektive heraus empfinden, fühlen und mitdenken.
Die Fähigkeit der Propathie bezieht sich nun analog auf Unternehmen
und Institutionen oder allgemein auf Systeme. Propathische Menschen
besitzen eine feine Kenntnis der Geschäftsprozesse sowie der
unausgesprochenen Gesetze und kulturellen Regeln. Propathen können
aus der Perspektive der Firma heraus sehen und agieren. Sie verstehen,
wie „die Firma tickt“. Wie tickt sie? Einmal ist die Firma
steif und fast handlungsunfähig, dann wieder wird sie wild impulsiv
und risikosüchtig. Die Firma ist immer öfter launisch und
in diesen Zeiten nicht mehr so lieb zu allen Mitarbeitern wie früher.
Propathische Menschen haben dafür einen feinen Sinn. Sie verstehen
so sehr viel von den inneren Prozessen der Firma und ihren diversen
Unpässlichkeiten und verborgenen Problemen, dass sie fast mühelos
auf der Klaviatur der Prozesse und Methoden ihre Arbeitserfolge erringen,
auf jeden Fall aber eigene Beförderungen erreichen.
Denn die Systeme lieben ihre Propathen, so wie die Menschen ihr empathisches
Gegenüber.
Empathie ist eine Fähigkeit des Menschen. Fähigkeiten erlauben
es, Ziele besser zu erreichen. Wenn das zum Beispiel böse Ziele
sind, helfen die Fähigkeiten natürlich auch. Empathie kann
zu Manipulation der Gefühle missbraucht werden, auch zum Aufpeitschen
von Neid, Hoffnung, Reichtumsphantasien, Lust, Angst oder Hass (schauen
Sie einfach ins TV-Programm). Genauso ist das bei der Propathie auch.
Manager, die die Prozesse gut verstehen, befolgen sie nicht einfach,
sondern kämpfen durch sie gegen Unkundige oder Naive, „die
sich brav an die Prozesse halten“. Der absichtliche Missbrauch
der Prozesse durch manipulative Propathie heißt Psychopropathie.
Kennen Sie Psychopropathen? Zahlenfalschausleger, Informationsverschleierer,
Dringendmacher, Schlechtwetterankündiger, Schönwettervisionisten,
Brautschmücker, Begeisterungsauspeitscher?
Es gibt so viele erfolgreiche Psychopropathen! Die werden von normalen
Mitarbeitern mit verzweifelt hilflosen Gesten vor allem vor den Kaffeeautomaten
durchgehechelt (deshalb sind Kaffeeautomaten den Psychopropathen ein
Gräuel). „Es kann doch nicht sein, dass wir das Projekt
einstellen müssen, weil wir …“ – „Das
darf doch nicht wahr sein, da fehlt jede Logik…“ –
„Die da oben sind irre, erst so, dann wieder ganz anders…“
– „Ich frage mich jeden Morgen, warum wir so hohe Gewinne
machen. Irgendwann kommt es heraus, was, weiß ich nicht.“
Die meisten von uns reden jeden Tag für einen Kaffee lang so
etwas. Wissen Sie, woran das liegt? Wir haben fast alle von Propathie
keine Ahnung! Fast alle von uns sind Dyspropathen. Wir scheitern an
den täglichen Prozessattacken auf uns, die uns zermürben.
Wir kommen mit der launischen Firma nicht klar, die von sich selbst
behauptet, sie sei streng prozessorientiert oder prozessgetrieben
– und sonst nichts!
Was können wir tun? Wir müssen alle Propathen werden. Dann
kommen wir mit unseren Systemen besser klar und wir können Psychopropathen
besser abseits pfeifen. So wie es bei Empathie auch ist! Empathische
kommen auch klar! Wenn Empathische die Gefühle anderer mitempfinden
können, werden sie sich auch langsam zu solchen Mitmenschen gesellen,
bei denen das Gefühlmitempfinden eher befriedigend ist und nicht
nur notwendig, weil wieder grässliche Probleme im Raum stehen.
Gute Propathen können das auch! Einfach dort arbeiten, wo Propathie
ein Quell der Freude ist. Und vielleicht, wenn wir immer mehr Propathen
unter uns haben, erfinden Management-Gurus endlich das selbstpropathische
Unternehmen, das so tickt, wie es aus Sicht eines normal grundverständigen
Menschen ticken sollte. Dann verstehen wir unser selbstpropathisches
Unternehmen! Das selbstpropathische Unternehmen ist bei uns beliebt!
Herrlich! Das Arbeiten wird so einfach sein und so glücklich
machen wie das Führen unserer eigenen Ehe.