Revolution! Es geht los! Bücher können in virtuelle Rechte umgetauscht werden! (Daily Dueck 141, Mai 2011)

Die ersten Verlage sind jetzt tatsächlich bereit, ihre Papierbücher zurückzunehmen und in Leserechte auf Kindle oder iPad umzutauschen. Es kostet sie ja nichts, die ganze Aktion verbreitet aber das elektronische Medium enorm. Ich prophezeie die größte Bücherverbrennung aller Zeiten. Brandversicherungsprämien können gesenkt werden. Die Häuser werden von unseren dicken Urlaubsromanschinken befreit – ohne Gewissensbisse, sie sind ja virtuell noch da.

Mein ganzes Zimmer steht voller Bücher, die einen in Ziegen- oder Straußenleder und Goldschnitt – mit denen würde ich gerne begraben werden. Die anderen sind aber aus- oder ungelesen, wertlos geworden oder ganz anachronistisch. Ich habe hier über einen Meter Falkstadtpläne stehen, auch den Städteatlas für jede Ecke Deutschlands, manche zum dritten Mal der Aktualität wegen gekauft. Wertlos! Ich habe hier Berge von brandwichtigen Managementbüchern der jeweiligen Zeit, mit denen die großen Irrtümer der Ökonomie eingeleitet wurden. Freuds Werke in 19 Bänden und Jungs in 20 Bänden gar hätte ich lieber virtuell zum Herumtragen, und die schier endlose Mahabharata auch. Brauche ich die angefetteten gelenkgeschädigten Menu-Kochbücher etc. noch wirklich? Wieder zwei Meter Wohnung würden frei.

Ich finde es eine total gute Idee, dass man die Papierausgaben, die man nicht mehr braucht, nun bei mobilen Verlagscontainern zurückgeben kann, um sie in Leserechte umzutauschen. Das wird heute erst probeweise angeboten, um zunächst lokal die Akzeptanz zu testen. Eine große IT-Firma arbeitet bereits fieberhaft an einer Software, die die automatische Rückgabe von Büchern wie bei der Flaschenpfandberechnung regelt. So wie der Automat Cola und Römerquelle von nicht pfandberechtigten Urlaubsmitbringflaschen unterscheiden kann, so erkennt die neue Software, welches Buch entsorgt werden soll. Bei neueren Büchern ist ja eh schon ein Barcode drauf, für die alten Buchclubpflichtbände muss noch eine Menge programmiert werden. Für jedes zur Vernichtung eingezogene Buch druckt der Automat einen Gutscheincode aus, gegen den man im Internet das entsprechende Buch wieder downloaden kann. Bei manchen Büchern wird eine Zuzahlung fällig, so heißt es in der Planung der IT. Meinen Malt Whisky Führer von Michael Jackson zum Beispiel bekomme ich dann virtuell in einer brandaktuellen Ausgabe, nicht in der alten verbrannten.
Ich kann es gar nicht erwarten, bis diese Software endlich live gehen kann. Ich bin schon ganz unruhig. Zu manchen Büchern habe ich eine persönliche Beziehung, die wird dann eben virtuell fortgesetzt. Geht das? Bei manchen schon. Klar! Ich habe schon mehrmals Schwünge von Büchern geerbt, zu denen ich natürlich absolut keine seelische Beziehung hatte. Die konnte ich leichten Herzens entsorgen. Ich glaube, es ist eine Frage der Gewöhnung. Ich muss ja auch nicht gleich alle meine Bücher am ersten Tag umtauschen, wenn im Juli der Probecontainer nach Heidelberg kommt. Ich habe den Termin auf der Webseite der gemein nützlichen Brand-Stiftung gefunden.

Was mache ich mit dem uralten Stadtführer Weimar? Dort war ich einmal, aber die Stadt sieht ja heute nicht mehr so aus. Die Propyläen Weltgeschichte habe ich schon lange im Computer, die acht Bände Wörterbuch der Deutschen Sprache auch (seitdem benutze ich die sogar – ziemlich oft im ICE). Ach, ihr Billy-Regale, was wird aus euch? Wir bekommen zu Hause Platz für einen neuen Kaminofen, von dem wir bisher nur träumen konnten, weil es wegen der Bücher nicht ging. Bisher!

Ade, reale Welt! Ade, ihr Bücher, die ihr es nicht zu meiner Seele geschafft habt! Viele sehe ich hier, bei denen ich wahrscheinlich den Gutschein zum Download nicht eintauschen werde. Wollen Sie den Gutscheincode haben? Warum steht denn das Buch hier zur Wohnungsverstopfung, wenn ich es nicht einmal auf der Festplatte haben möchte? Weil man Bücher eher weniger wegwirft als noch nicht stark verschimmeltes Essen, also nie! Nie! Aber ich verspreche, die Gutscheincodes aufzuheben! Das gelobe ich! Ich bin kein schlechter Mensch!

Gunter Dueck

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