Unverantwortlichkeit mit beschränkter Haftung (Daily Dueck 137, März 2011)

Die Finanzkrise hat vieles vernichtet, gar nicht einmal so sehr die Banken. Nun droht in Japan noch Schlimmeres. Ein Futtermittelbetrüger mischt zwecks Ersparnis Dioxinhaltiges ein und ruiniert tausende Bauern. Alle haften nur mit ihrem Eigenkapital. Da stimmt doch etwas nicht mit dem Kapitalismus?

Ich schaue verwundert auf meine Haftpflichtversicherungspolicen. Ich bin als privater Mensch für Millionenschäden versichert, auch bei Autounfällen. Es ist bekannt, dass Autos Unfälle mit einer grässlichen Schadenshöhe verursachen können, die ein Einzelner kaum bewältigen kann. Deshalb zwingt uns der Gesetzgeber, alle Risiken unseres Autofahrens für ANDERE zu versichern. Mein eigener Schaden bleibt mir überlassen. Ich kann dafür per Vollkasko vorsorgen oder nicht. Aber der Schaden, den ich potentiell anderen zufüge, muss auf jeden Fall über eine Versicherung wiedergutzumachen sein.
Warum aber zahlen wir als Volk die Schäden der Banken? Warum die der Atomgaus? Es gibt in der ganzen Welt etwa 450 Atommeiler, von denen inzwischen drei (Harrisburg, Tschernobyl, Fukushima) schwere Katastrophen verursacht haben. Der Bau eines Atommeilers kostet um die fünf Milliarden Euro. Alle 450 Kraftwerke zusammen haben folglich 2250 Milliarden gekostet. Der Schaden von Fukushima wurde schon in den Nachrichten im Billionenbereich vermutet. Also kosten dann die Schäden der drei Unfälle doch mehr als der Bau von allen zusammen? Ist das so? Ich meine, dann lohnt sich doch der Atomstrom eventuell ökonomisch gar nicht! Er lohnt sich dann nur deshalb, weil die Energieerzeuger den Schaden nur bis zur Höhe ihres Eigenkapitals bezahlen müssen. Den Rest zahlen immer wir. Das ist eine Folge des Kapitalismus der AGs und GmbHs („mit beschränkter Haftung“), die den Anleger schützt, der nur höchstens um seine Aktien oder Einlagen fürchten muss – nicht aber, dass er die volle Verantwortung trägt.
Das bin ich jetzt leid. Wir haben doch die Banken zu einem Einlagensicherungsfonds gezwungen, dass wenigstens jeder Privatmensch sein Geld bis 50.000 Euro wiederbekommt, wenn seine Bank Pleite macht. Warum heben wir die 50.000 nicht auf beliebige Höhe an und erzwingen das gleiche Verfahren für alle anderen Industriezweige auch? Das klingt jetzt sehr hart, aber die Rückgabe der Einlagen oder das Entschädigen bei Katastrophen ist doch noch der kleinste Teil der Schäden. Die Aktien praktisch aller Unternehmen gingen bei jeder Großkatastrophe in den Keller, die müssten die Verursacher doch eigentlich auch zahlen?
Ich fordere, dass alle potentiellen Verursacher sich unbegrenzt versichern müssen.

Geht das in Deutschland allein? Sie werden gleich alle laut zetern, dass es den Wettbewerb verzerrt. Wahrscheinlich gründen die potentiellen Verursacher von Großunglücken dann kleine autonome Staaten, die davon prächtig leben, nur unsichere, ganz billige Kernkraftwerke zu betreiben und uns den Strom zum Dumpingpreis zu liefern? Statt Steueroasen gründen sie Umweltoasen, in die die Kernkraftwerke fliehen, weil sie dort sicher sind – vor der von mir geforderten Haftpflichtversicherung? Was machen wir, wenn alle deutschen Kraftwerke abgeschaltet sind, aber eines der vielen französischen plötzlich per Westwind herübergeweht wird? Wer zahlt das? Frankreich? Also ich finde: die Haftpflichtversicherung.

Wahrscheinlich ist die aber so irre teuer, dass sich das Betreiben von Atommeilern nicht lohnt. Wenn das so ist, sollte man es lassen, oder? Vielleicht wäre es schon einmal gut, wir würden die Industrie zwingen, sich einmal nach ihren Haftpflichtversicherungsprämien zu erkundigen. Dann schauen wir, wie viele Business-Modelle überhaupt valide sind. Okay? Hören Sie auf, immer so idealistisch vage von Zukunft und Nachhaltigkeit zu babbeln, eine einfache Haftpflichtversicherung wird konkret.

Gunter Dueck

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