Links im Sinnraum
Das Absolute oder „Diesmal war Weihnachten 6% besser“ (Daily Dueck 130, Dezember 2010)
Weihnachten! Die Idee „Weihnachten“ feuert Assoziationen im Gehirn. Schnee, Glockenklang, Krippe, Tannengeruch, Liebe, Augen des kleinen Lords, Ruhe, Frieden, Gänsebraten, Marzipan, Zimttee, Glühwein beim Frieren, Kerzen, „wie man jubelt, wenn Beute verteilt wird (Jesaja 9,3)“. Gerade so dachte ich an Weihnachten, als jemand sagte: „Man muss ganz platt immer drei Prozent besser sein als die Konkurrenz, dann bekommt man den Auftrag. Also lassen Sie uns diese drei Prozent besser sein, das reicht immer.“
„Die Familienumfrage des letzten Jahres über unsere Weihnachtsfeier hat leider keine zufriedenstellenden Zufriedenheitswerte ergeben. Wir müssen für das diesjährige Fest Absagen befürchten. Wir stehen im harten Wettbewerb zwischen den Familien. Unsere Schwiegertöchter und –söhne bekommen offenbar verlockende Angebote von deren Eltern, die auf Blutsverwandtschaft pochen. Dabei geht es doch letztlich um die bessere Feier und die Geschenke. Was tun wir? Wir haben kein besonders höheres Budget verglichen mit dem Vorjahr, obwohl es einen Enkel mehr gibt. Unsere Möglichkeiten für Geschenke und Festschmausausgaben sind nicht größer geworden. Sollten wir mehr in Essen investieren und bei Geschenken zurückfahren? Haben wir im letzten Jahr die Prioritäten wirklich richtig gesetzt? Wir haben Trendscouts ausgesendet, um neue Kerzenfarben zu testen. Lila Lametta könnte der Hit sein. Wir kundschaften derzeit aus, wie die Eltern unserer Schwiegerkinder feiern, damit wir eine Basis haben, auf der wir aufsetzen können. Wir wollen bei gleichem Kostenrahmen mehr bieten. Wir denken, sechs Prozent sollten es sein, damit wir drei Prozent am Ende erreichen. Dann gewinnen wir. Wir haben leider keine guten Fortschritte bei der Faktorenanalyse der letzten Weihnachtsjahre erzielt. Die anderen Familien haben mehr Umfragepunkte bei Gemütlichkeit und Frohsinn. Daran müssen wir arbeiten, aber wie? Wir haben noch keine gute Idee, wir wollen jedenfalls in diesem Jahr mindestens je eine gemütliche und eine frohe Stunde auf die Agenda setzen und dann messen, wie gut es von der Familie angenommen wird. Bei den harten Daten wie Qualität des Essens und der Straffheit des Liederprogramms führen wir schon seit langem. Im Grunde werden wir aus den Umfragen nicht wirklich schlau. Wir machen alles richtig, das zeigen alle quantitativ messbaren Kriterien. Wir hatten in vielen Jahren fast Höchstwerte, waren aber irritiert, dass die letzte Frage „Wie war der Gesamteindruck?“ immer sehr schlechte Werte bekam. Wie kann das sein, dass wir in allen Kriterien besser abschnitten als in der Gesamtwertung? Wir kamen damals zu dem Ergebnis, dass wir auch Wischiwaschifragen nach der Gemütlichkeit und der Froheit des Festes im Fragebogen abfragen sollten, um wenigstens einen Anhaltspunkt zu bekommen, wie weiche Faktoren in das Gesamtbild hinein-spielen. Wir erkannten, dass sie stark mit der Gesamtzufriedenheit korrelieren. Wir sind darüber sehr böse geworden, weil es zeigt, dass die Gesamtbewertung der Leute einfach vollkommen willkürlich und subjektiv vorgenommen wird. Keiner respektiert die hart objektiven guten Zustände bei uns. Wir haben Filet, wo die anderen durchwachsenes Fleisch anbieten. Wir kochen mit Lacroix-Fond, nicht mit Brühwürfeln. Unser Wein passt perfekt und wird dekantiert, die anderen haben nicht einmal einen Dekanter. Wir haben alles äußerst liebevoll nach allen Kriterien durchoptimiert. Ich denke, all das, was wir bieten, muss die Familie doch begeistern! Wir haben mit unseren Kindern gesprochen. Wir haben sie aufgefordert, die Enkel und Ehepartner für uns zu begeistern. Das ist ihre Pflicht! Sie sind ja so etwas wie unsere Mitarbeiter – wenn wir einmal diese Analogie sehen wollen. In den Firmen begeistern sie sich ja auch für ihre Produkte und ihren Chef. Warum nicht bei uns? Wir haben die Fragenbögen nach der Weihnachtsqualität genauso gemacht wie die in den Unternehmen, die nach Kundenzufrie-denheit fragen. Die Firmen steuern mit solchen Umfragen hoch erfolgreich die Begeisterung ihrer Mitarbeiter über ihr Unternehmen und die Begeisterung ihrer Kunden über ihre Produkte. Begeisterung ist das absolut Entscheidende und muss sehr hart gemanagt werden. Unsere Kinder aber wollen nicht darüber reden, wenn wir sie bitten, die mittelmäßigen Zahlen von uns zu erklären. Was denken unsere Enkel wirklich? Immer wieder bekommen wir zu hören, dass wir unsere Zahlen nicht richtig verstehen. Unsere Kinder gehen so weit, uns zu sagen, dass wir eigentlich gar nichts verstehen. Gar nichts! Was soll das heißen? Haben wir nicht alles getan, um die Umfragewerte zu verbessern? Warum danken sie uns den teuren Wein und das absolut frische Premium-Fleisch so schlecht?“
„Papa, es ist dort viel mehr als eine Familienfeier. Sie schenken aus Liebe. Sie schenken uns Liebe. Sie kochen mit Liebe. Wir singen aus Freude. Etwas von Jesus ist um uns. Die Babys sind glücklich. Wir sind dort froh, Mama.“ – „Wir schenken auch mit Liebe. Wir lieben euch auch. Wir kochen nicht nur mit Liebe. Nicht genug? Immer noch nicht genug, he? Wenn du dieses Plus in Prozenten ausdrückst – wie viel würde es sein? Ich weiß, es ist schwer in Zahlen zu fassen, aber ungefähr? Ist es mehr als drei Prozent?“ – „Ihr versteht es nicht.“ – „Wie viel? Lenk bitte nicht von Weihnachten ab! Damit ist es uns bitterernst!“
Wer versteht das Absolute? Wer sieht mit dem Herzen? Wer ist einfach
genug?