Links im Sinnraum
Divide et Impera – Vernichtung von Unternehmen durch Organisation und Wettbewerb (Daily Dueck 128, November 2010)
Die Idee des „Divide et Impera“ oder „Divide & Conquer“ oder „Teile und herrsche“ aus der Machtpolitik treibt schon lange in den Köpfen ihr Unwesen. Sie hat es schließlich zu einem Organisationsprinzip im Softwareentwurf gebracht. Das sind aber zwei verschiedene Interpretationen! Machtpolitik hat mit Menschen zu tun, Computer dagegen zeigen sich von Macht unbeeindruckt. Heutige Organisationen werden tatsächlich nach Art der Kriegsherren designt, aber man glaubt, es sei alles im Geist objektiver Programmierung angelegt worden. Liegt hier nicht der Schlüssel für die Entstehung von Katastrophen?
Tsun Tsu erklärt lange vor Christi Geburt die Kriegskunst in der Art des „Teile und herrsche“. Machiavelli benutzt die lateinische Formulierung in seinem Hauptwerk „Il Principe“. König Ludwig XI. von Frankreich soll „diviser pour régner“ im Munde geführt haben. Das glaube ich sofort – ich habe in Wikipedia die Lebensbeschreibung gelesen. Dort ist auch zu lesen, dass Ludwig XI. überzeugt war: „Wer nicht heucheln kann, kann nicht herrschen.“
Divide et Impera: Der Fürst verteilt die Verantwortung an Unterfürsten
so, dass sie einzeln nicht zu viel Macht haben, um ihm zu schaden.
Im Unternehmenskontext: „Keiner soll am Stuhl sägen können.“
In Unternehmen kann man zum Bespiel lauter Vorstände ernennen,
die schon so alt sind, dass sie aus Altersgründen keinen CEO-Vertrag
mehr bekommen können, das ist am unblutigsten – ABER: wer
kurz vor der Pensionierung steht, benimmt sich unter Umständen
souverän und unabhängig! Sie sägen dann zwar nicht,
lassen sich aber nur schwer beherrschen.
Deshalb soll der Fürst darauf achten, dass die Unterfürsten
schon recht wallendes Blut haben – das gehört zur Macht
dazu! Aber dann wiegelt er sie immer schwach gegeneinander auf. Dadurch
bekämpfen sie sich untereinander und halten sich in Schach. Sie
lassen sich so vom Fürsten problemlos beherrschen. In Unternehmen
ist das Aufwiegeln wissenschaftlich methodisch sauber institutionalisiert.
Es geschieht durch aggressives, invasives Messen der Zahlen und Leistungen
der Unterfürsten. Auf schwach kränkende Art werden die Zahlen
der Geschäftsbereiche gegeneinander verglichen (nicht m-i-t-einander),
dadurch schauen sich die Unterfürsten ständig scheel an
und blockieren sich durch „Tower-Denken“. Die Macht des
CEO aber ist auf diese Weise gar nicht auf ihrem Radar, sie wird nie
auch nur gedanklich angetastet.
Die Strategie „Divide et Impera“ funktioniert also prächtig, wenn man Macht erhalten will.
Heute denken aber die meisten in der IT bei „Teile und herrsche“ an etwas anderes. Beim Programmieren großer Probleme wird das Problem in Teile zerhackt und in Teilen getrennt gelöst, oft sogar von jeweils anderen Computern. So können mehrere Maschinen nebeneinander in Teamwork am gleichen Problem arbeiten. Ihre Teilergebnisse werden dann gesammelt und zu Gesamtergebnis zusammengeführt. Das geht gut, weil die einzelnen Computer nicht gegeneinander aufgewiegelt sind und nur arbeiten, nicht aber kämpfen oder um die Gunst des Zentralcomputers buhlen oder auf Kosten der anderen Computer einen saftigen Extrabonus kassieren wollen.
Ich fasse zusammen: „Teile und herrsche“ sichert dem
Fürsten die Macht, um die allein es ihm geht. Das Geld für
seinen Palast fällt sowieso dabei ab, oder einer wie Ludwig XI.
lebt persönlich ganz bescheiden und denkt an so etwas nicht.
Es geht rein um Macht! Ludwig XI. hat mehrfach Verschwörungen
gegen seinen Vater betrieben, obwohl er doch ohnehin König werden
würde! Er konnte nicht warten! Auch aus diesem Beispiel heraus
ist es klar, dass das Aufwiegeln und Blockieren der Unterfürsten
im Profitsinne absolut schrecklich wirken kann und wohl auch immer
wirken muss – aber, wie gesagt, um Geld geht es dabei nicht,
sondern um Egos und Köpfe.
In einer Teamumgebung dagegen geht es um das Aufteilen der Arbeit
und Zusammenarbeit. Hier will man möglichst effizient arbeiten
und viel Geld verdienen. Da würde das Aufwiegeln sehr stören.
Unser Goethe sagt dazu in „Sprichwörtlich“ (Gedichte
letzter Hand von 1827, habe ich in meiner digitalen Bibliothek gefunden):
Entzwei' und gebiete! Tüchtig Wort;
Verein' und leite! Beßrer Hort.
Wie aber werden fast alle Unternehmen geführt? Man betet, dass
es bitte bitte Zusammenarbeit geben solle, damit der Gewinn steigt,
aber man wiegelt alle Manager und Mitarbeiter durch Incentive-Systeme
gegeneinander auf, so dass sie sich blockieren, Towerspiele betreiben
und bei Meetings heucheln.
Ich stelle fest: Unternehmen werden nach Prinzipien organisiert, die
Macchiavelli für den nackten Machterhalt ausarbeitete. Und man
glaubt, dass diese Prinzipien gleichzeitig auch den Gewinn maximieren.
Toren der Macht vor den Toren der Macht!
Lest Goethe!