Den Plan erzwingt man leicht, seine Umsetzung nicht (Daily Dueck 127, November 2010)

„Wir hatten einen Plan, der absolut umsetzbar war, auch noch aus heutiger Sicht. Es hat sich aber nichts bewegt. Ehrlich gesagt: wir haben unsere Hausaufgaben nicht gemacht. Das ist absolut inakzeptabel. Wir werden jetzt einen neuen Plan machen, weil der alte zwar noch sehr gut ist, aber den Mitarbeitern nicht mehr gesichtswahrend erklärt werden kann. Den neuen erzeugen wir aus dem alten durch eine neue anglizistische Wortwahl, danach holen wir von jedem Einzelnen das Commitment ein. Wenn wir diesen Schwur zur Umsetzung von allen erzwungen haben, sind wir bestens für die Zukunft aufgestellt.“

Mein Chef sagte neulich im Managementmeeting: „Überlegt, was ihr wollt, macht einen Plan dafür und setzt ihn konsequent um. Macht keinen Plan, den ich schön finde und für den ich euch streichle. Plant, was ihr wirklich wollt.“ Wow, dachte ich bei mir, das ist weise, das schreibe ich für Sie jetzt gleich auf.
Es geht nicht darum, ob ein Plan umsetzbar ist oder nicht – sondern darum, dass man das Ziel erreichen will, das man mit dem Plan verfolgt.
Früher wollte ich einmal furchtbar gerne eine Stereoanlage haben. Daran hing mein Leben wie das der heutigen Jugend an einem iPad oder einem iPhone. Meine Eltern lehnten ab und verweigerten eine Taschengelderhöhung, so dass ich es mit Sparen hätte versuchen können. Ich wollte die Anlage aber unbedingt und bot meinem Vater an, auf dem Feld mit den Arbeitern jeden Tag viele Stunden Rüben zu roden. Das Rübenroden ist früher harte Arbeit gewesen, es wurde nach Fläche oder eben im Akkord bezahlt. Meine Eltern fürchteten, dass ich die Schule vernachlässigen könnte und dass die Arbeit zu schwer wäre. Ich wollte. Ich schuftete. Ich bekam eine sensationelle Anlage. Und die Schule litt nicht.
Nehmen wir einen anderen Fall. Meine Eltern könnten mir angeboten haben, dass ich Rübenroden dürfte, damit ich von dem Verdienst einen Brockhaus, eine neue Schultasche oder ein gutes Jackett für ordentliche Anlässe wie eine Konfirmation damit bezahlen könnte. Denn solche Dinge braucht der junge Mensch ja wirklich, meinten meine Eltern. Na, was wäre herausgekommen? Ich selbst hätte sofort starke Befürchtungen bekommen, ja geradezu Angst, dass meine schulischen Leistungen katastrophal einbrechen würden. „Mama, ich bin doch jetzt fast Klassenbester. Willst du, dass ich absinke?“ Unter diesem Argument ist meine Mutter lebenslang weich geworden, ich konnte damit alles Unerwünschte abwimmeln. „Ich agiere langfristig, Mama – bitte lenk mich nicht mit Nebenkram ab!“ Das half.
Das eine Mal ist der Wille mein Wille, das andere Mal der Wille der meiner Eltern. Mein Wille ist stark, der meiner Eltern aber nicht, denn sie lassen sich abwimmeln. Und wenn das möglich ist, scheitert jeder gute Plan sowieso.

In einem Unternehmen arbeiten alle hart an den Quartalszielen, das ist das nach allgemeinem Konsens Wichtigste, und zwar für jeden Einzelnen wie auch für dessen Boss. In Wirklichkeit gibt es noch mehr Wichtiges, zum Beispiel die Unternehmenszukunft, die Innovation, der Wandel angesichts der Globalisierung, die Erneuerung der Produkte, die ständige Neuerfindung der Geschäftsmodelle und die immer wieder notwendige Neufokussierung auf den Kunden und dessen wandelnde Wünsche. Um diese Ziele neben der harten Arbeit am Quartalsergebnis zu erreichen, werden Pläne gemacht.

WARUM???

Weil die Arbeit am Quartalsergebnis so sehr schlaucht, dass zusätzliche Motivation durch einen Plan erzeugt werden muss. „Vater, du hattest zwar die ganze Woche Nachtschicht, aber wir haben deswegen extra ein Theaterabonnement für schweres Geld gekauft, dass wir auch einmal zwei Stunden wirklich leben. Das ist auch wichtig.“ Der Plan wird nur zu dem einen Zweck gemacht, um damit den fehlenden Willen zu ersetzen. Wenn ein Wille schon da ist, geschieht er fast von selbst. Er frisst sich durch Widerstände und Barrieren und pfeift auf alle solchen Pläne, die sich ordentlich und brav an Vorschriften halten. Erst wenn der Wille fehlt, dann ist ein Plan wirklich nötig – oder anders ausgedrückt:

Wenn der Wille fehlt, weiß man keinen anderen Rat, als ihn durch einen Action Plan zu ersetzen.

Dann planen alle nach Herzenslust! Am besten planen sie das absolute Ideal, nämlich die Weltmarktführerschaft zu erreichen und den Aktienkurs zu verzigfachen. Um solche hohen Ziele zu erreichen, müssen im allgemeinen Vorarbeiten geleistet werde, die Geld kosten. Trainer erklären: „Wir werden deutscher Meister, müssen aber dafür elf neue Spieler kaufen.“ – Manager fordern: „Ich brauche für den neuen Plan Neueinstellungen, weil ich keine guten Leute mehr im Team habe.“ (Das sagt dessen Boss übrigens auch!) Solche Pläne sind natürlich gut umsetzbar! Leider können sie sehr leicht abgewimmelt werden. Jetzt sagt in umgekehrter Hierarchie der Oberboss zum Unterboss: „Mama, das Quartalsergebnis sieht im Augenblick ganz gut aus, aber eine jetzige Geldausgabe für die Zukunft wird das gefährden. Willst du das, Mama? Dass wir absinken?“ In den idealen Plänen sitzt nur Umsetzbarkeit, aber kein reißender Wille. Auf den wird beim Planen nicht geachtet.

Weiß das nur mein Boss? „Fühlt in euch, was ihr wollt und macht das.“ Er hat natürlich das Risi-ko, dass zum Beispiel ich als sein Mitarbeiter etwas will, was er selbst nicht so wirklich mag. „Ich schufte für ein iPad, Papa.“ Damit muss er leben. Ich selbst bin ja auch wieder Boss von Mitarbeitern, und ich versuche, in allen den Willen zu etwas Großem zu finden. Diesen Willen biege ich überredend ein bisschen in die richtige Richtung, aber nur so weit, dass er nicht das Reißende verliert. Das darf er keinesfalls. Dann arbeitet das Team nicht ganz genau an dem, was ich will, aber es hat viel Herzblut bei dem, was es selbst will. Wir brauchen dann keinen Plan. Wir arbeiten, weil wir zum Ziel wollen.

Viele Mitarbeiter wollen! Viele! Aber es hilft nichts, wenn dann der Boss nicht will. Wenn er echt will oder auch nur mit dem Herzen unterstützt, sagt er nur knapp: „Fang an.“ Wenn er aber nicht will, verlangt er einen Plan. „Gute Idee, Mitarbeiter. Bitte fertigen Sie ein Feinkonzept an. Erarbeiten Sie eine Präsentation. Errechnen Sie, wie viel durch die Ausführung des Plans gewonnen wird.“ So klingt meist ein Todesurteil. Solche Anforderungen eines Plans sind wie das Vielleicht der klischeehaften Frau, die nie wörtlich nein sagt. „Vielleicht, ich überlege es mir, wenn du dir Mühe gibst.“ Auch dieses Nein wird kaum je verstanden, sooft es auch die Sache tötet, aber die Hoffnung überleben lässt.

„Ich agiere kurzfristig, Mama – bitte lenk mich nicht mit der Zukunft ab!“

Gunter Dueck

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