Links im Sinnraum
Business und Technik wie Hund und Katze (Daliy Dueck 116, Mai 2010)
Die Manager und die „Techies“ verstehen sich nie so wirklich gut. Die einen halten nur Zahlen für das einzig „Konkrete“, weshalb sie das Wort konkret inflatorisch benutzen. Für die anderen „zählen“ nur die Produkte, die Qualitäten, die technischen Funktionen – die Technologie eben. Form steht gegen Inhalt, nicht wahr? Gegen! „Es muss letztlich funktionieren!“, entsetzen sich die Techies, wenn sie einfach nur Zahlen liefern sollen. Und es kommt zurück: „Es zählt nur, was unter dem Strich steht oder was der Chef heute morgen gerade so will! Keine technischen Komplexitäten!“ Manager sind wie Hunde, Techies wie Katzen! Wirklich! Schauen wir uns diese Tiere einmal genauer an.
Hunde sind nämlich Rudeltiere und benehmen sich anständig
gegenüber Vorgesetzten, den so genannten „Herrchen“.
Sie fügen sich sehr gut in Hierarchien ein. Es gibt einige Ausnahmen
wie die Dackel, mit denen man nichts anfangen kann. Das gewisse dackelartig
Unhundige des Dackels bezeichnet man als „Charakter“.
Im Grunde werden Dackel einfach nur nicht erwachsen und behalten ihr
Kind-Ich, solange sie nicht fett werden. Dackel werden einfach so
geliebt und gefüttert.
Gute Hunde sind auf Lob und Anerkennung aus. Sie sind aktiv tätig,
sich Streicheleinheiten beim Chef zu verdienen. Wenn sie glauben,
sich Verdienste erworben zu haben, wedeln sie vorfreudig mit dem Schwanz.
Wenn sie etwas verbrochen haben, schämen sie sich und ziehen
den Schwanz ein. Mit einem Wort: Hunde haben ein planbar hineinerziehbares
Gewissen und können deshalb mit Pflichten umgehen. Sie arbeiten
gerne für ihr Frauchen oder Herrchen. „Such!“, und
sie suchen. „Hol das Stöckchen!“, und sie rennen
vergnügt los. „Hol das Stöckchen schneller“,
und sie sind schneller. „Bring es doppelt so schnell!“,
das machen sie. Oft kommen sie vollkommen verdreckt wieder, dann müssen
sie mit Kindershampoo gewaschen werden, was sie nicht gerne dulden.
Man zwingt sie eben. Das geht, sie fügen sich unter ärgerlichem
Schimpfen.
Haben Sie schon einmal eine Katze mit Shampoo gewaschen? Haben Sie es einmal erwogen? Nein, natürlich nicht, weil Katzen immer sauber sind. Aber angenommen, eine wäre nun ganz ausnahmsweise einmal dreckig, würden Sie es versuchen? Katzen sind anders, das merken Sie bestimmt schon, ohne dass ich es beschreiben müsste. Sie sitzen dösend herum, lassen sich streicheln, wenn sie es gerade mögen, lehnen es mit drohendem Blick ab, wenn sie nicht in Stimmung sind. Wenn es sie hungert, gehen sie jagen. Sie sitzen gespannt vor dem Mausloch, regungslos bis zum entscheidenden Schlag. Sie sind stolz, wenn sie einen Vogel oder eine Maus erbeuteten. Sie strahlen Meisterehre aus. Katzen sind stolz, Hunde sind gut. Katzen sind ihrem „Herrchen“ durchaus verbunden, sie zeigen ihre Zuneigung durch Heimbringen einer Maus, die sie für ihren Besitzer vor die Haustür legen. Sie kommen zum Besitzer und streichen ihm schnurrend und wohlgefällig durch die Beine. Aber sie sind nicht Untertan, sie sind einfach Katze. Sie buhlen nicht um Lob, sind für weitergehende Arbeitsaufträge einfach taub. Erfolgreich Katze zu sein ist für sie vollkommen genug. Sie sind individualistische Künstler.
Wenn sich Hunde und Katzen zusammentun – wer ist dann der Chef? Katzen finden, man braucht keinen Chef. Wozu? (Dekan sein müssen ist bei Professoren eine Strafe!) Katzen sitzen wohl einmal zusammen, aber sonst? Hunde meinen, alles müssen geregelt werden. „Wann wollen wir regelmäßig zusammen fressen?“ Die Katzen fressen die frische Beute – warum Zeitfestlegungen? Die Hunde sind von den aktiven Beiträgen der Katzen zur Regelfestlegung frustriert und bestimmen nun ganz unter sich die Vorschriften, nach denen die Hunde zusammenleben wollen. Diese Regeln werden überall kommuniziert. Da die Katzen in den Meetings nervös und unkonzentriert waren, werden sie von den Hunden verpflichtet, auch die Regeln der Hunde einzuhalten. Das tun sie nicht, deshalb werden die Regeln strenger gefasst. Man führt Reporting ein…
Stellen Sie sich vor, ein Hund ist Herr von einem anderen Hund. Er bestellt ihn ins Büro. Im Büro des Chefs ist devote Haltung vereinbart, in solcher erscheint der Niedrighund. „Hund, ich habe beschlossen, dass Sie ab heute doppelt so viel leisten!“ Da erschrickt der Angebellte zutiefst, aber es ist ihm, als wenn er mit so etwas gerechnet hätte. „Das schaffe ich nicht!“ – „Wollen Sie sich denn gar nichts Sportliches vornehmen, also schon Loser nach Ansage sein?“ – „Ich schaffe es nicht.“ – „Ich befehle es!“ – „Chef, ich muss schon dies und das tun, hören Sie einmal zu..“ – „Okay, ich gebe Ihnen zehn Minuten, ich beantworte während Ihrer Begründung meine Mails. Zuhören beim Mailmachen ist meine Stärke.“ Nach zwanzig Minuten unterbricht er den Niedrighund, der selbst nun schon vor eigener Rührung weint, wie viel er selbst den ganzen Tag leistet – Beweis genug, dass ihm nicht noch mehr aufzubürden ist. „Erstaunlich, wie viel Sie leisten. Ich frage mich aber, wie Sie ohne erkennbare Nervosität zwanzig volle Minuten mit Eigenlob verschwenden können. Sie hätten wenigstens selbst auch gleichzeitig Ihre Mails beantworten können. Ich sehe, da ist noch freies Potential. Ich befehle Ihnen, doppelt so viel zu leisten.“ – „Aber Chef, ich kann es nicht!“ – „Also nur mal mit der Ruhe. Sie sind jetzt ein bisschen überrumpelt, aber Sie wissen insgeheim genau, dass Sie mehr tun können. Deshalb sind Sie doch schon so hereingeschlichen.“ – „Ach, Chef!“ – „Kommen Sie, mein Lieber [Niedrighund wedelt ansatzweise mit dem vorher eingezogenen Schwanz], seien Sie teamfähig. Alle anderen haben es auch akzeptiert. Wenn Sie nur achtzig Prozent mehr schaffen, ist es auch okay, dann fällt nur Ihre Leistungszulage weg. Es wird Ihnen doch nicht gleich der Kopf abgerissen, oder?“ – „Danke, Herr.“
Stellen Sie sich nun vor, der Hund ist Herr der Katze. Er beantwortet gerade seine Mails und lässt die Katze noch kurz vor seinem Büro warten. Die kommt aber einfach ohne Aufforderung herein. „Katze, einen Augenblick noch.“ – „Hund, unser Termin ist jetzt, ich habe selbst auch meine Termine im Kalender.“ Sie starren sich an. Dann sagt der Hund: „Katze, arbeiten Sie ab heute doppelt so viel.“ Die Katze ist nun ganz böse, und sie wusste schon beim Kommen, dass sie sehr böse werden würde: „Das geht logisch nicht. Ich bin Meister meines Fachs. Was denken Sie denn? Haben Sie mal vor diesem Ansinnen meine Beutezahlen angeschaut?“ – „Die Zahlen sind Historie, wir müssen uns wandeln. Der Wandel ist das einzig Beständige. Sie sollen doppelt so viel leisten, basta.“ – „Sie sind zwar Herr, aber nicht über die Naturgesetze und die Logik. Es geht physikalisch gesehen gar nicht, doppelt so viel zu leisten.“ – „Katze, man muss nur wollen.“ – „Nein, Hund, man muss können.“ – „Katze, mit Willen geht alles.“ – „Hund, es gibt technische Grundbedingungen wie die schlechten Arbeitsverhältnisse und Prozesse hier. Daran scheitert alles, nicht am Willen.“ Nach einer halben Stunde endet die Auseinandersetzung ergebnislos. Der Hund raucht vor Ärger. Er wusste vorher, dass er vor Ärger platzen würde. Er ist mehr denn je entschlossen, es der Katze heimzuzahlen. Leider erbeutet die Katze so viel. Leider, leider! Die Katze hatte vor dem Termin geduldig vor einem Mauseloch gesessen und schon die Beute raschelnd kommen hören. Da hatte sie abbrechen müssen – zum Chef! Sie wusste vorher, dass dieser Tag nichts bringen würde. Jetzt nach dem Streit regt sie sich auf: Doppelt so viel? WENIGER! WENIGER! Sie ist so aufgebracht, das nun an streng ruhiges Lauern für heute nicht mehr zu denken ist. Sie zwingt sich streng zu dösen, um wieder ruhig lauern zu können. Das sieht der Hund von seinem Fenster aus…
Es ist tiefe, schwarze Nacht. Ein Star-Programmierer sitzt gebannt
vor dem Bildschirm, ganz allein auf der Bürofläche. Morgen
früh würde sein Programm beim Kunden live gehen müssen.
Bis dahin müsste er den schweren Fehler behoben haben, der jetzt
immer noch Abstürze verursachte. Der Programmierer ist totenstill
und bleich vor Anspannung. Er hat das Gefühl, in seinem Kopf
sammelt sich die Erkenntnis. Gleich wird er den Fehler wissen. Die
Ahnung verdichtet sich. Die Nebel sammeln sich zu einer Erkenntnis.
Da stampft hinter ihm sein Chef herein, die Neonlichter blenden wie
ein Gewitter über dem Schreibtischmeer auf. Er fragt drohend:
„Bitte geben Sie mir eine konkrete Zeit, wann Sie den Fehler
weg haben. Kein ungefähr, kein vages Wischiwaschi. Der Oberchef
will eine Zahl. Er muss den Fehler schließlich verantworten.“
Da steigt im Programmierer der Zorn wie eine Stichflamme hoch. Er
weiß, dass er den Fehler nun heute nie mehr finden kann. Es
ist ihm nach Amok zumute.
Die Katze hörte schon die Maus im Loch rascheln, da kam der Hund und bellte, wann die Katze denn endlich fertig wär’: „Schau, Katze, mach zu, es ist Essenszeit und du klüngelst wieder.“ Das größte Missverständnis zwischen Hunden und Katzen ist, dass sie bei Höchstleistungen in so etwas wie einem anderen Aggregatzustand arbeiten müssen. Hunde arbeiten so: „Lass uns mal zusammensitzen.“ Katzen: „Es braucht tiefe innere Ruhe.“ Deshalb hassen Katzen Meetings. Und Hunde hassen Katzen, weil sie immer nur aus Katzen dies heraushören: „Ich brauche meine Ruhe.“ Das meinen Katzen doch nicht so! Aber viele sagen es so. Genau so. Ach Katzen, als ob man euch verstünde!
Ich kann ein ganzes Buch über Hunde und Katzen schreiben! Die
Analogie ist absolut schlagend. Bis hin zum Shampoo! Versuchen Sie
einmal, einen Ingenieur oder einen Programmierer vor dem Kundenbesuch
wenigstens ansatzweise das Haar zu gelen! Es sind ganz sicher andere
Tierarten! Ich bekomme öfter Ärger zu Hause, wenn ich wie
befohlen noch schnell einen störenden Ast im Garten bei einbrechender
Dunkelheit absäge – aber immer noch im schwarzen Kundenanzug
mit Krawatte! „Zieh dir was anderes an, MANN!“ Katzen
müssen das nicht, sie sind doch sauber?! Ich verstehe selbst
nie, warum Johannes nach dem nicht ganz freiwilligen Rasenmähen
vollkommen grün besprenkelt reinkommt. Das ist wieder eine andere
Art. Als Hund hätte er den Rasen ohne Aufforderung gemäht,
als Katze wäre er nicht grün. Er wird bestimmt Unternehmer.