Declaration of Lights (Daily Dueck 11)

Licht, sagt man, hat kein Herz. Es zeigt das vorher Verdunkelte nun ganz unvollkommen. Wer aber stark ist, versteht das Licht und weiß dankbar für sich, was zu tun ist. Wer das Licht versteht, muss achten, sein Herz zu behalten.

Sie müssen jetzt DD9 und DD10 gelesen haben, sonst sehen Sie nichts, und Sie haben keinen Schatten! Ich unterstelle jetzt Ihre Vorkenntnisse!
Wer aus Platons Höhle (DD9) herausschaut, sieht ins Licht der Erkenntnis. Er ist heiter erwärmt von der unbändigen Freude, der Idee des Guten nahe zu sein.
Wer sich in der DD10-Höhle verbirgt, hat Angst vor dem Licht, denn das Licht ist die Idee der Erkenntnis. Erkenntnis erhellt das Dunkle. Wo kein Licht ist, ist immer Dunkel, und man kennt das Dunkel als solches nicht. Dunkel lässt sich nur erkennen, wenn es Licht gibt. Die Frage der Erkenntnis stellt sich im Dunkel nicht. Deshalb ist dort das Paradies. Wer nur im Dunkeln ist und das Licht nicht kennt, ist nicht unzufrieden darum und fühlt sich im Dunkeln geborgen.

Ohne die implizite Wertung von Licht und Dunkel zu unterstellen – kennen Sie solche Gefühle?
„Wer nur das Dorf kennt, ist glücklich. Geh nicht in die Stadt!“ Oder so: „Ich erkannte und ward einsam fortan.“ – Oder: „Es waren wundervolle, lustvolle Monate im Dunkeln. Da musste er unbedingt das Licht dabei anknipsen – und alles zerbrach.“


In der Höhle aber geschah dies: Ein Jüngling war lange von Sehnsucht erfüllt, in das Licht vor der Höhle zu sehen. Er wollte einen jeden Preis zahlen und sich in Hässlichkeit ertragen. Eines Tages entschloss er sich finster, stand auf, drehte sich um und ging. Die Menschen schrieen auf, sie baten zu bleiben. Die Eltern rangen die Hände und klagten laut in Verzweiflung. Alle schauten ins Dunkel. Er ging fort. Es wurde heller und heller, er sah sich selbst in seiner Schmutzigkeit. Er schaute tapfer im Licht an sich hinunter und erschrak. Er biss sich auf die Lippen und ging. Draußen war es grauenhaft hell. Das gleißende Licht stach schmerzend in die Augen. Draußen saß ein alter Mann mit schönem weißen Bart.
„Wo bin ich?“, fragte er den Weisen.
„In einer größeren Höhle, hier ist es heller als in dem Loche, aus dem du kommst.“
„Ich schäme mich, so hässlich vor dich zu treten! Wie Adam, nachdem er den Apfel aß.“
„Du bist nicht hässlich, sondern nur unvollkommen“, erwiderte der Alte. „Was im Dunkel vollkom-men erscheint, kann es bei Lichte besehen niemals sein! Wie könnte jemand im Dunkel das Vollkom-mene erschaffen, ohne je vom Lichte zu wissen?“
„Und kann ich schön werden wie du, Weiser, hier im Lichte?“, fragte der Jüngling.
„Da wirst du viel Mühe erfahren und du musst beharrlich sein.“
„Und am Ende bin ich wie du? Vollkommen?“
„Oh Jüngling!“, seufzte der Alte. „Du bist nur hier, nur hier, vollkommen, so weit das Licht hier ausreicht, dich zu sehen. Aber wenn du vor diese größere Höhle trittst, wirst du neuerlich sehend werden und vor dir selbst erschrecken.“
„Dies ist auch eine Höhle und draußen eine mehr?“
„Ich glaube schon…ich war nicht dort. Ich verzagte dort vorn.“ Tränen schimmerten in des Alten Au-gen.
Der Jüngling ließ nicht locker: „Gab es Menschen, die sich weiter wagten? Was geschieht, wenn ich jetzt gleich beherzt ausschreite, mehrere Stufen zu nehmen?“
„Das Licht wird dich töten. Du musst dich hier rüsten.“
„Und so ziehen die Weisen wohl gerüstet weiter und weiter ins Licht?“
Der Alte schwieg traurig.
Der Jüngling dachte an seine Lieben in seiner Höhle. „Ist es gut und soll es so sein, dass sich das Weise allein ins Licht begibt und das Gewöhnliche in der Höhle seinem unvollkommenen Schicksal über-lässt? Erlöst das Licht den Mensch allein?“
„Oh Jüngling! Die Weisen sagen: Jeder gehe seinen Weg so weit ins Licht er je vermag.“
„Wäre es nicht gut, alle Freunde ins Licht zu begleiten? Sollten wir sie nicht holen – heraus ans Licht? Ja! Ja! Das sollten wir!“, rief der Jüngling. „Aber ich fürchte, sie würden mich prügeln oder gar töten, wenn ich ihnen das Licht brächte oder sie hierher hervorzöge. Denn sie wollen sich nicht hässlich sehen. Mich selbst macht es ja gerade ganz unglücklich.“
„Ja, das sagte Platon auch.“
„Wer ist Platon?“, fragte der Jüngling.
„Er zog weiter ins Licht.“
„Und du?“
Dem Alten schimmerten wieder die Tränen. „Ich denke nach, wie ich das bisher Verdunkelte so erhelle, dass es nicht hässlich erscheint, sondern nur unvollkommen. Ich will Licht bringen, das nicht versengt. Licht, das nicht verletzt. Licht, das nicht verhöhnt. Warmes Licht, das für den Weg zum Vollkommenen auf dieser kleinen Stufe erwärmt. Ich denke nach. Mir scheint, das wäre die wahre Weisheit, dies zu vermögen. Vielleicht kann ich hoffen, meinen Lieben in Wärme zu leuchten und sie zum Mitkommen verlocken.“
Der Jüngling sah an sich hinunter und erschrak noch kaum.
Sie schwiegen lange.
„Hat schon jemals jemand die Höhle von hier aus wieder betreten und es mit Licht versucht?“
„Sokrates. Jesus.“
Der Jüngling seufzte und der Alte fuhr fort.
„Sie leuchteten hell und warm – und als sie sterben mussten, ließen sie ihren Tod als Licht zurück. Früher, so hörte ich sagen, war es viel dunkler in der Höhle.“
„Und was müsste man heute tun? Was kann ich selbst beitragen?“, fragte der Jüngling.
„Viele Weise müssen zurück und ganz schwach leuchten, jeder für sich ein bisschen. Und wenn sie gestorben sind, müssen andere an ihren Platz treten, ganz still.“
„Du meinst, wir sollen uns für die anderen opfern? Und verzichten, immer weiter für uns selbst ins Licht zu gehen?“
Der Alte zögerte lange. „Wer weiter und weiter ins Licht geht, ist immer neu unvollkommen. Was wäre gewonnen?“
Da erstaunte der Jüngling, der langsam verstand. „Wenn wir aber immer unvollkommen sind, warum bleiben wir dann nicht gleich alle unvollkommen in der ersten dunklen Höhle?“
„Gott ruft in mir, ich müsste weiter und zur Vollkommenheit streben!“, rief der Weise. „Mein Herz aber schlägt in mir, ich müsste bei den Meinen bleiben. Es will für sie das Wohl.“
„Was ist das Wohl?“, fragte der Jüngling.
„Das hellste Licht, in dem sie nicht leiden.“
„Ich bleibe bei dir! Später helfe ich leuchten!“, versprach der Jüngling.
„Dann sprich mir nach“, bat der Weise.

Das Licht sei Licht für mich,
und keine Gefahr.
Ich nehme Anteil und sorge.
Ich, ein kleines Licht,
Gehe weit zum Zentrum des Alls.
Das ist im Herzen.
Das ist hier.

Gunter Dueck

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