Links im Sinnraum
Frühling in der Luft? (Daily Dueck 1)
Riechen Sie ihn auch? Den nahenden Frühling?
Die Welt pendelt hin und her und ich habe nachgedacht, was die Welt bewegt. Die Liebe? Der Zustand des deutschen Fußballs? Eher schon der Klingelton des Handys. Da fällt mir ein, dass Anne und Johannes meinem Diensthandy, das ich sehr selten benutze, öfter neue Töne beibringen. Ich weiß nun fast nie, dass ich gemeint bin, wenn es klingelt. Ich höre andächtig zu, überlege, was es bedeutet…drehe mich um, wer gemeint ist.
Wissen Sie: Wenn uns etwas wahrhaft bewegen soll, muss es uns unter die Haut gehen!
Das, was wirklich durch die Haut dringt, sind die Analystenmeinungen von der Wall Street. Wenn ein Unternehmen eine schlechte Kritik bekommt – zack! – und 20% des Börsenwertes sind futsch! Das tut elend weh. Da merken die Manager, dass sie ein Herz haben – denn dort schlägt es jetzt zu. Stellen Sie sich vor, Sie führen eine gute Ehe, erziehen wundervolle Kinder – und der Partner geht plötzlich fremd, weil es ihm neuerdings auf etwas anderes ankommt als bisher! So geht es den Unternehmern. Sie arbeiten hart und erzielen Gewinn. Plötzlich beschimpfen die Analysten sie als „Old Economy“ und verlangen, dass sie das Unternehmen im Internet führen und eine globale Zukunftsvision haben! Wenn die Unternehmer jetzt nicht sofort eine globale Hi-Tech-Idee erfinden, bekommen sie das Label „Old“ und – zack! – sind 20% des Börsenwertes weg.
So entstanden der Internet Boom und die Globalisierung. Alles Gute war „New Economy“ oder „Global Player“. Weil die Analysten technische Visionen wollten, überschwemmten Hypes die Märkte. Bubble auf Bubble auf Bubble – die Ideen und die Unternehmensgrößen schossen in den Himmel und die Kurse zogen ihnen nach.
Im Jahr 2000 befanden die Analysten, es wäre jetzt doch besser, die Unternehmen machten auch Gewinn dabei. Das war für die Unternehmer ein herber Schock, weil mit dem bloßen Erzielen von Gewinnen bis jetzt kein Geld zu verdienen war, denn die Analysten honorierten das ja nicht!
Da traten alle auf die Bremse. Die Bremsspur zieht sich durch alle Statistiken, unsere Bankkonten und unser Gemüt. Man musste Kosten senken, Kündigungen aussprechen und Produkte so viel billiger produzieren, dass sie nun nicht mehr wirklich von denen im Aldi unterschieden werden können. Nun sparen wir uns alle anderen Läden und gehen gleich zu One-Stop-Shoppings zu Aldi oder Lidl.
Unternehmen, die noch irgendwelche Kosten hatten, wurden von den Analysten abgestraft!
Riechen Sie den Frühling in der Luft?
Die Analysten wollen neuerdings Innovationen! Sie sagen, Gewinne wären nicht „regulär durch Arbeiten“ erzielt, wenn sie nur durch brutales Kostensenken entständen – denn das Kostensenken hätte ja eine natürliche Grenze (die einfache Null). Nun stehen wir da! Die Umsätze sollen steigen! Wir müssen uns etwas Neues einfallen lassen! Die Unternehmen haben aber alle Forschungsanstrengungen eingestellt! Unser Bildungssystem ist gar nicht dafür gedacht! Reformen müssen her! Koste es, was es wolle!
Die Zeiten werden also wieder besser – da bin ich sicher, weil die Analysten von den Unternehmen gerade so etwas wie sinnvolles Arbeiten fordern.
Das ist schön für uns alle! Die Zukunft wird wundervoll! Genießen Sie sie in vollen Zügen!
Aber ich? Ich bin ja von Beruf Visionär … ich frage mich schon, was die Analysten als Nächstes fordern werden. Was wird für die Welt der nächste Klingelton sein? Und wenn er das erste Mal ertönt, werden Sie ihn gar nicht erkennen, weil Sie nicht wissen, dass es Ihrer ist. Oder? … oder haben Sie wirklich schon gehört, dass es gerade INNOVATIONEN klingelt? Auf Ihrem Handy? Was machen eigentlich Analysten aus meinem Leben? Dürfen die das?